Soichiro Kozuki möchte das nächste Kapitel schreiben

Seine Geschichte liest sich wie ein kleines Fußballmärchen: Vor ziemlich genau einem Jahr wechselte Soichiro Kozuki aus der zweiten japanischen Liga zum deutschen Mittelrheinligisten 1. FC Düren, im vergangenen Sommer zog der talentierte Mittelfeldmann weiter zum FC Schalke 04. In der U23 der Königsblauen zeigte er starke Leistungen, spielte sich damit in das Blickfeld der Bundesligamannschaft – und ist seit mittlerweile vier Wochen ein fester Bestandteil des Teams.

Soichiro Kozuki

Auf die ersten Tore in Testspielen, die Unterschrift unter dem ersten Lizenzspielervertrag und das erste Trainingslager als Profi könnte am Samstag (21.1.) in Frankfurt die Premiere im deutschen Oberhaus folgen. Dies wäre ein weiterer Meilenstein in der Vita des Japaners.

„Ich möchte der Mannschaft helfen“, sagt Kozuki, der in den Winterpausen-Tests gegen Rapid Wien, Hajduk Split, den VfL Osnabrück und den FC Zürich jeweils einen Treffer erzielen konnte. Auch abgesehen von seinen Toren wusste der quirlige Offensivmann in der Vorbereitung zu überzeugen, wenngleich er weiß: „Es gibt noch einige Dinge, die ich verbessern muss. Ich arbeite Tag für Tag hart und möchte in jedem Training etwas dazu lernen.“

Mentalität als entscheidender Faktor

Diese Aussagen unterstreichen eine Eigenschaft, die Kozuki ganz besonders charakterisiert: Mentalität. Denn die richtige Mentalität sei entscheidend, um mit neuen Eindrücken, Herausforderungen und sportlichen Erfolgen umzugehen, so der 22-Jährige.

Kozuki scheint diese Mentalität zu haben. Das bestätigen auch die Zahlen des ersten Saisonteils. Der Rechtsfuß führt die Scorer-Liste der Regionalliga-Mannschaft mit sechs Toren und fünf Vorlagen an. Sein Traum: Schon bald auch in der Bundesliga an einem Treffer beteiligt sein – um gemeinsam mit den Mitspielern ein Erfolgserlebnis zu feiern.

Soichiro Kozuki bejubelt sein Tor in Wien

Dass dieser Traum nicht mehr allzu fern ist, war vor mehreren Monaten nicht unbedingt abzusehen. Rückblick: Für seinen Verein Kyoto Sanga lief das Jahr 2021 sportlich sehr erfolgreich. Der Name Soichiro Kozuki tauchte allerdings nur selten in der Aufstellung des japanischen Zweitligisten auf. Bereits im Sommer – mitten in der japanischen Saison – reifte in ihm der Gedanke, zu einem anderen Verein außerhalb Japans zu wechseln. „Mein Traum und Ziel ist es, irgendwann Fußballprofi in Europa zu werden. Um mich weiterzuentwickeln, brauchte ich Spielzeit.“

Im Sommer 2021 kam der geplante Wechsel nach Dänemark nicht zustande. Stattdessen blieb Kozuki in Japan und stieg nach zwei Kurzeinsätzen mit Kyoto Sanga in die J1 League auf. Im Winter unternahm er einen neuen Versuch: Diesmal in Deutschland. Kozuki trainierte im Januar 2022 mit der U23 von Borussia Mönchengladbach – es lief gut. Als die Verhandlungen der Vereine nach wochenlangem Training platzen, schien gleiches vorerst für den Traum von Europa zu gelten. „Die Entscheidung fiel drei oder vier Tage vor dem Ende der Transferperiode, eine wirklich schwere Zeit.“

Chance in Düren genutzt

Eine neue Chance bot ein Trainer mit großer Japan-Erfahrung: Gert Engels. Der gebürtige Dürener empfahl dem Mittelrheinligisten aus seiner Heimatstadt ein vielversprechendes japanisches Talent. Kozuki verhalf dem 1. FC Düren in elf Spielen mit fünf Toren und fünf Vorlagen zum Aufstieg in die Regionalliga West. „Die Eingewöhnung in Deutschland lief in erster Linie über den Fußball“, sagt Kozuki, der gelegentlich deutsche Wörter in seine englischen Antworten einbaut. Auf dem Platz spürte er, wie körperbetont es in Deutschland zugeht. „Außerdem ist die Fehlerkultur ganz anders als in Japan. In Deutschland werden Fehler als ein Teil des Spiels gesehen. Dadurch kann ich deutlich freier aufspielen als in Japan.“

Auf dem Platz gefällt ihm diese Kultur; im Alltag findet Kozuki sie allerdings gewöhnungsbedürftig. Lachend berichtet er: „Der Anfang in Deutschland war sehr stressig. Ich habe mich vor allem wegen der verspäteten Züge verrückt gemacht. Das kannte ich aus Japan nicht.“ Inzwischen wisse er, wie viel Puffer er benötigt, um sein Ziel passend zu erreichen. Für Kozuki ist Deutschland nicht die erste längere Station außerhalb Japans.

Soichiro Kozuki

Für den Job des Vaters zog seine Familie für drei Jahre nach China. Soichiro war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal fünf Jahre alt. In einem Park in Shanghai spielte er 2006 Fußball, wurde angesprochen und zum Training eingeladen. Im japanischen Kindergarten in Shanghai blieb keine andere Wahl. „Wer Freundschaften knüpfen möchte, spielt Fußball“, sagt Kozuki, der seinen Namen Soichiro dem Vornamen des Gründers von Automobilhersteller Honda verdankt. „Um ehrlich zu sein, mochte ich Fußball am Anfang gar nicht. Ich war kein guter Spieler und sehr müde nach den Einheiten. Es war ein Trauma“, blickt Kozuki zurück. Von Tag zu Tag sei er dann besser geworden – und die Liebe zum Fußball wuchs.

Nach der Rückkehr in sein Geburtsland blieb Kozuki am Ball. Mit zwölf Jahren bestand er den Aufnahmetest für die Nachwuchsakademie von Kyoto Sanga und schaffte den Sprung in die Jugendnationalmannschaft. Ein besonderes Erlebnis für ihn war das Achtelfinale der U17-WM in Indien. Gegen die englische Mannschaft um Phil Foden und Callum Hudson-Odoi unterlag Japan erst im Elfmeterschießen.

Japaner fühlt sich wohl auf Schalke

An Kozukis Seite spielte unter anderem Takefusa Kubo (heute: Real Sociedad San Sebastian), mit dem er noch immer gut befreundet ist. Kozuki: „Wir haben uns auch zu meinem Wechsel auf Schalke ausgetauscht. Es war eine gute Entscheidung, denn ich fühle mich hier sehr wohl.“ Wenige Tage nach Kozukis Wechsel in die Knappenschmiede erfuhr er von der Ankunft eines weiteren Japaners in Gelsenkirchen. „Maya Yoshida ist einer der größten Stars im japanischen Fußball. Er hat in der Premier League gespielt und mehr als 100 Einsätze für unser Land.“

Soichiro Kozuki und Maya Yoshida

Dass der Kapitän der japanischen Nationalmannschaft nun sein Mitspieler ist, bezeichnet Kozuki als große Ehre. Auch das ist ein Kapitel in seiner Geschichte, die er sich so vor einem Jahr nicht hätte erträumen lassen. Und diese Geschichte ist noch längst nicht vorbei. Sie fängt gerade erst an – und ist nach dem Spiel in Frankfurt vielleicht schon um einen weiteren spannenden Abschnitt reicher.

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