Keke Topp: Hungrig auf mehr

Als Stürmer kann Keke Topp noch viel von den Kollegen lernen. Wie der Weg in den professionellen Sport verläuft, hat der 19-Jährige schon seit frühester Kindheit verinnerlicht. Im Interview mit dem Schalker Kreisel spricht er über die Anfänge, seinen Weg zum S04 und die Hoffnung auf ein besonderes Auswärtstor.

Keke Topp

Keke, dein Vorname ist nicht alltäglich. Wie sind deine Eltern darauf gekommen?
Das hat sportliche Gründe. (schmunzelt) Mein Vater hat früher viel Formel 1 geschaut, und weil er Keke Rosberg ziemlich cool fand, wurde er zu meinem Namensgeber. Die Wurzeln liegen im Skandinavischen, aber auch im Ostfriesischen, und der Name ist ungewöhnlich, das gefällt mir.

Statt auf die Rennstrecke hat es dich auf den Sportplatz verschlagen …
Angefangen habe ich bereits mit drei Jahren, wohl auch deswegen, weil mein Vater selbst früher gespielt hat und mich früh mit dem Fußball in Kontakt gebracht hat. Ich kicke schon solange ich denken kann. Hin und wieder bin ich mit Freunden auf die Grünflächen in der Umgebung gegangen, meist hat sich aber alles bei uns im Hof vorm Haus abgespielt. Schüsse gegen das Garagentor – oder halt in unsere Fenster, da sind einige zu Bruch gegangen. (lacht)

Begonnen hat dein Vereinsweg beim TSV Gnarrenburg, mit neun Jahren bist du dann in den Nachwuchs des SV Werder Bremen gegangen. Wie sind sie auf dich aufmerksam geworden?
Das ist eine längere Geschichte: In meinem Heimatverein habe ich damals schon in zwei Jahrgängen gespielt, bei den 2002ern und bei den 2004ern. Als ich mit den älteren Jungs auf einem Turnier war, hat mich ein Werder-Scout unter die Lupe genommen. Kurze Zeit später folgte der Anruf aus Bremen, doch irrtümlicherweise wollten sie mich für den 2002er-Jahrgang. Der Aufklärung folgte die spontane Einladung zum Training des jüngeren Jahrgangs einen Tag später.

Ich habe manche Träne vergossen, weil ich meinen Verein verlassen musste.

Keke Topp

Und dann fiel die Entscheidung?
Noch nicht direkt. Ich konnte mich nicht so recht entscheiden, habe anschließend auch noch mit Gnarrenburg an einem anderen Turnier in den Niederlanden teilgenommen. Erst danach ist der Entschluss gefallen – leicht war es aber nicht, ich habe manche Träne vergossen, weil ich meinen Verein verlassen musste. Aber als ich dann richtig bei Werder angekommen bin, war ich schnell sehr glücklich.

War der Schritt mit viel Aufwand verbunden?
Zum Training war es eine Autostunde, das hielt sich anfangs mit wöchentlich zwei Einheiten plus Spiel noch in Grenzen. Aber die Trainingstage haben zugenommen, irgendwann bin ich öfter mit dem Zug gefahren oder wurde vom Bremer Fahrdienst abgeholt. Meine Eltern haben viel investiert und diesen Weg häufig für mich in Kauf genommen – erst im letzten Jahr bei Werder bin ich ins Internat gezogen.

Gab es besondere Höhepunkte in dieser Zeit?
Zunächst einmal habe ich dort Freundschaften fürs Leben knüpfen können, die ich heute noch pflege. Darüber hinaus sind die ersten Schritte im Profisport natürlich prägend, deshalb trage ich die Zeit nachhaltig im Herzen. Ein Highlight war aber mit Sicherheit die Regionalliga-Meisterschaft mit der U15. Und auch mein Jahr im Internat hatte viele besondere Momente.

Bist du von klein auf Angreifer gewesen?
Ich bin als Stürmer zu Werder gewechselt, habe im Anschluss aber so ziemlich jede Position gespielt. Nur als Außenverteidiger oder Torhüter bin ich nie aufgelaufen. Während einer Vorbereitung bin ich in der Innenverteidigung zum Einsatz gekommen, seit der U14 habe ich mich in vorderster Linie festgebissen.

Keke Topp

Die Ausbildung in Nachwuchsleistungszentren erfordert viele Entbehrungen. Wie sah das bei dir aus?
Da ich bereits in der Grundschulzeit zu Werder gewechselt bin, kannte ich es ja gar nicht anders. Weitere Hobbys hatte ich nie, hin und wieder bin ich mit Freunden ins Schwimmbad gegangen, meist mussten sie aber auf mich verzichten. Sport und Schule füllen den Alltag in besonderem Maße aus.

Gab es denn in der Schule andere Interessen?
Auch dort war Sport immer mein Lieblingsfach – allerdings nur der praktische Teil. Die Theorie war eine absolute Katastrophe. (lacht) Wenn es mit dem Fußball nicht geklappt hätte, wäre das SEK eine interessante Alternative gewesen, oder etwas mit Immobilien. Sportmanagement vielleicht auch. Glücklicherweise musste ich mich damit nie ernsthaft auseinandersetzen.

2020 war in vielerlei Hinsicht besonders: Neben deinem ersten und einzigen Internatsjahr beim SVW wurde die Saison inmitten der Pandemie abgebrochen, wenige Monate später bist du ins Ruhrgebiet gewechselt. Wie hast du das Jahr in Erinnerung?
Allein durch Corona war es eine verrückte Zeit. Im Internat gab es Doppelzimmer, und wenn jemand infiziert war, mussten alle in ihren Räumen bleiben und durften die Türen nur öffnen, wenn das Essen davorstand. Über die Fenster zu kommunizieren, war im Nachhinein auf eine Weise auch ganz lustig.

Dass ich es zum Profi schaffen könnte, damit hatte ich damals nicht unbedingt gerechnet.

Keke Topp

Was hat dich zum Schritt nach Schalke bewogen?
Ich wusste als Jugendlicher, dass ich ganz gut bin. Dass ich es zum Profi schaffen könnte, damit hatte ich damals nicht unbedingt gerechnet. Selbst als mein Berater mir vom Interesse einiger Clubs, auch vom S04, berichtete, habe ich es nicht so recht glauben wollen. Ich habe die Eindrücke auf mich wirken lassen, mit Herrn Schober und Herrn Elgert gesprochen und dann überlegt. Speziell durch Herrn Elgert war Schalke in der engeren Auswahl – wenn eine Legende wie er dir etwas sagt, dann muss das richtig sein. (schmunzelt) Sein Ruf ist ihm vorausgeeilt, auch deshalb bin ich hierhergekommen.

Glaubst du, in Bremen wäre die Tür nach oben für dich ebenfalls aufgegangen?
Bestimmt, mit der Nähe zu meiner Heimat wäre das auch reizvoll gewesen. Aber ich bin mir sicher, dass ich jetzt nicht auf diesem Level wäre, wenn ich mich damals nicht für diesen Schritt hierher entschieden hätte.

Auch hier bist du ins Internat gezogen – gewohnter Alltag für dich, oder doch eine gehörige Umstellung?
Es war schon vieles anders. In Bremen kannte ich auch die Spieler aus anderen Jahrgängen, hier waren mir die meisten fremd. Darüber hinaus ist das Internat auf Schalke den U19-Spielern vorbehalten, es waren also deutlich weniger Jungs, und alles war insgesamt ruhiger. In Bremen hatte man eher ein Klassenfahrt-Gefühl, und ich war dort deutlich näher bei meiner Familie.

Keke Topp

Und deine ersten Eindrücke von Königsblau?
Etwas gewundert habe ich mich, denn hier ist alles noch eine Nummer größer und professioneller, es wird insgesamt auf mehr Details geachtet. Im ersten Training war ich noch schüchtern. Aber ich werde nie vergessen, dass Herr Elgert in der Einheit Klimmzüge gemacht hat, ich anfangs noch mitgezählt habe – und mich dann irgendwann fragte, wo ich denn jetzt gelandet bin. (lacht)

Im Sommer bist du gekommen – und zum Jahresende durftest du bereits mit den Profis zum Spiel beim FC St. Pauli reisen und dein Debüt in der 2. Bundesliga feiern.
Dass ich mitfahren würde, wusste ich einige Tage zuvor. Verdient hatte ich mir das zu diesem Zeitpunkt ehrlicherweise nicht, aber weil so viele Stürmer ausfielen, hatte ich das große Glück; und dann noch auf St. Pauli, das ist für mich als jemand, dessen Heimat zwischen Bremen und Hamburg liegt, etwas ganz Besonderes, quasi ein Heimspiel und ein überragendes Erlebnis für mich.

Und dann wurdest du eingewechselt …
Schon beim Einlaufen zu den Klängen von „Hells Bells“ und auf der Bank hatte ich einfach nur Gänsehaut. Dann haben wir uns warmgemacht – und plötzlich wurde ich zur Einwechslung gerufen. Ich dachte nur: Wow, jetzt spielst du gleich Zweite Bundesliga! Und für mehr Gedanken war dann auch kein Platz mehr. Ich war im Tunnel, habe alles ausgeblendet und es auch nur schwer realisieren können.

Ich dachte nur: Wow, jetzt spielst du gleich Zweite Bundesliga!

Keke Topp

Hast du dir vorher noch Tipps geholt?
Herr Elgert hat mir vor der Fahrt geraten, dass ich einfach ruhig bleiben soll. Mit Simon Terodde hatte ich bis zum Spiel kaum Kontakt, aber als er mich in der Kabine gesehen hat, meinte er nur: „Geil, ein Neuner, schöner Stürmer hier!“ (lacht) Auch er hat mir geraten, ruhig zu bleiben und mein Ding zu machen. Schließlich sei das Tor hier genauso groß wie überall.

Mittlerweile gehörst du fest zum Profikader, ihr seht euch fast täglich. Wie kommt ihr Stürmer untereinander aus?
Ich verstehe mich mit allen sehr gut. Speziell mit Simon mache ich auch den einen oder anderen Spaß im Training.

Kannst du dir was von deinen Kollegen abschauen?
Definitiv, auch wenn es bei Simon nicht immer einfach ist. Er macht Dinge, die nicht viele können. Bei Kenan etwa sind es das Spiel mit dem Ball und die Ballsicherheit, bei Polti, wie er die Bälle festmacht, und bei Simon der Torabschluss. Von jedem kann ich noch viel lernen.

Wie hast du die herausfordernden Monate im Jahr 2023 als junger Spieler erlebt?
Viele Talente hatten sicher ein einfacheres erstes Jahr als Profi. Es gab Höhen und Tiefen, teilweise mehr Tiefen: der Auftakt in Hamburg, der späte Ausgleich in Wiesbaden – es waren viele Nackenschläge dabei. Auch der Trainerwechsel war für mich eine völlig neue Erfahrung. Mittlerweile glaube ich aber, dass ich mich und wir uns als Team mit dem neuen Coach gut eingegroovt haben.

Keke Topp

Wie stark nagen Misserfolge an dir?
Wenn wir ein Spiel verlieren, braucht man mich den restlichen Tag nicht mehr anzusprechen. Da bin ich zu geladen, hin und wieder gilt das auch für den Folgetag. Danach geht’s wieder, ich bin dann aber bemüht, den Ärger in positive Energie umzuwandeln, damit es im nächsten Anlauf besser klappt.

Was zeichnet die Mannschaft deiner Ansicht nach aus?
Wir haben eine große individuelle Qualität im Kader und einen Mix aus erfahrenen und jungen Spielern. Wie bereits erwähnt, finden wir uns mittlerweile immer besser zurecht und kommen flüssiger in die Abläufe, die der Trainer uns vermittelt. Durch die Siege in den vergangenen Wochen und den Punktgewinn zum Jahresabschluss haben wir Selbstvertrauen getankt, das gilt es nun mitzunehmen und nach der Winterpause zu nutzen.

Wie beschreibst du das Gefühl, als Spieler in der VELTINS-Arena aufzulaufen?
Das ist völlig verrückt! (lacht) Es ist unfassbar laut hier, und wenn man vor der Nordkurve steht, bekommt man direkt Gänsehaut. Am schönsten ist es natürlich, wenn man vorher das Spiel gewonnen hat.

Eigenständiger zu werden, ist ein spannender Prozess.

Keke Topp

Am Freitag konntest du dein erstes Profi-Tor für Königsblau erzielen …
Das wurde auch Zeit! (lacht)

Und wenn du wählen dürftest: der entscheidende Treffer auswärts in letzter Minute oder ein weniger wichtiges Tor daheim vor der Nordkurve?
Gegen beides hätte ich nichts einzuwenden, aber ich würde mich in dem Fall für das Auswärtstor entscheiden. Schließlich sind selbst diese Duelle durch die Vielzahl unserer Fans gefühlt halbe Heimspiele. Und wenn ich dann das Spiel entscheide, gibt es doch nichts Schöneres.

Dein Vertrag hat sich kürzlich um ein Jahr verlängert. Was hast du für Ziele in absehbarer Zeit?
Ich hoffe, dass sich die sportliche Situation weiter beruhigt, damit wir schauen können, was dann noch möglich ist. Nach meinem ersten Treffer hoffe ich auf weitere, und auf viel Spielzeit, um mich weiterentwickeln zu können.

Keke Topp

Das konntest du zuletzt auch privat mit deiner eigenen Wohnung. Wie geht dir der Haushalt von der Hand?
Wäsche waschen und Putzen klappt noch nicht so überragend. (lacht) Aber den Rest habe ich schon ganz gut im Griff, teilweise war ich ja auch vorher im Internat auf mich gestellt. Eigenständiger zu werden, ist ein spannender Prozess.

Bleibst du über Weihnachten in den eigenen vier Wänden?
Nein, die Zeit werde ich in der Heimat bei meiner Familie verbringen: mit ruhigen, besinnlichen Tagen, gutem Essen und vielleicht noch einem kleinen Ausflug.

Am 2. Januar geht’s mit Vollgas weiter. Kannst du trotzdem vorher abschalten?
Das ist sehr wichtig, dafür werde ich mir die Zeit nehmen. Ein wenig den Kopf frei bekommen, die Batterien aufladen, das tut einem immer gut, und man merkt im Anschluss, dass man auch ein Stück weit befreiter wieder loslegen kann.

Enrico Niemeyer neu

Enrico Niemeyer

… hofft auf volle Batterien und viele Topp-Tore im Jahr 2024!

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