FCSA: Tansania-Projekt findet erfolgreichen Abschluss

Im Rahmen der Young Coach-Ausbildung der Football Club Social Alliance (FCSA) reisten 41 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen Regionen Tansanias zum Follow-up nach Daressalam. Kai Brock, Koordinator Methodik und Leiter des US-Projekts auf Schalke, hat das Projekt in Zusammenarbeit mit dem FC Basel im Januar begleitet und berichtet von der spannenden Zeit vor Ort. schalke04.de hat ihn zum Interview getroffen.

FCSA: Tansania-Projekt findet erfolgreichen Abschluss

Kai, für die Football Club Social Alliance warst du gerade in Tansania unterwegs: Auf welche länderspezifischen Besonderheiten bist du dort gestoßen?
Erstmal „Karibu Asante!“. Das heißt in Tansania „Herzlich Willkommen“. Tansania liegt in Ostafrika am Indischen Ozean und wurde vor dem Zusammenschluss mit Sansibar 1964 Tanganjika genannt. In dem Land, das von dem typischen afrikanischen Lebensrhythmus geprägt ist, herrschen sehr tropische Bedingungen. Anders als in Europa, wo wir uns stark an Uhrzeit und Kalenderjahr orientieren, gibt es dort eher Ereignisse, die das Leben bestimmen. Dazu zählt beispielsweise der Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sowie der Schatteneinfall. Strikte Vorgaben wie Uhrzeiten gibt es dort nicht. In diesem spannenden multikulturellen Land habe ich die Menschen als sehr offen, liberal, kommunikativ, freundlich, hilfsbereit und als sehr neugierig wahrgenommen.

Im Rahmen des Projekts werden vor allem Krisengebiete besucht. Auf welche Herausforderungen seid ihr in dem Land gestoßen?
Im zentralafrikanischen Bereich gibt es immer wieder Flüchtlingsproblematiken mit inländisch Vertriebenen. Auch die Aufnahme von Flüchtlingen aus den umliegenden Ländern stellt Zentralafrika konstant vor Herausforderungen. In Tansania geht es aber in erster Linie um Armut, im Speziellen um Kinderarmut. Auch Bildung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie Kinderrechte und Korruption sind große Thematiken, die das Land beschäftigen. Besonders besorgniserregend ist die Hygiene und Gesundheit, denn Tansania ist unter anderem Malariagebiet. Das alles sind besondere Umstände, die wir im Kontext unserer Trainerausbildung berücksichtigen müssen.

FCSA: Tansania-Projekt findet erfolgreichen Abschluss

Was sind das für Situationen, in denen ihr dann unterschiedlich agiert im Vergleich zur Trainerausbildung in Deutschland zum Beispiel?
Mit Europa lässt sich das natürlich nicht vergleichen. Die Grundsituation ist folgende: Wir haben Daressalam als Ort ausgewählt und haben die Young Coaches aus dem gesamten Landesgebiet von Tansania zusammengerufen, um sich für die Ausbildung an diesem zentralen Ort zu treffen. Nachdem wir 2019 bereits dort waren, handelte es sich diesmal um einen Vertiefungskurs. Eine Frage, die immer wieder unter den Coaches aufkommt, ist: „Wie kriegen wir die Kinder zum Training?“. Aufgrund der äquatorialen Lage wird es früh dunkel. Flutlichtanlagen gibt es nicht. Ab 18.30 Uhr ist es dunkel, bis dahin muss das Training auf den Sportplätzen absolviert worden sein. Der Schulunterricht geht bis nachmittags. Viele Kinder schaffen es daher nicht, Schule und Training zu vereinen. Die zweite Problematik ist, dass die Eltern häufig als Tagelöhner unterwegs sind und viel arbeiten müssen. Häufig übernehmen dann die Kinder viele Aufgaben zuhause, die es ihnen teilweise unmöglich machen, das Fußballtraining zu besuchen. Unter diesen Voraussetzungen versuchen wir, den Young Coaches Ideen und Impulse mit auf den Weg zu geben, damit die Kinder trotz des Fußballs ihrer Schule und sozialen Verantwortung nachkommen können. Dazu gehört auch, die Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder überhaupt zum Training gehen zu lassen.

Wie konntet ihr die Herausforderungen dann bewältigen?
Wir wollen, dass Trainer und Eltern Vertrauen zueinander aufbauen. Wenn man seine Kinder in die Obhut von anderen Menschen gibt, muss in erster Linie ein vertrauensvolles Verhältnis gegeben sein. Die Situation ist allerdings so, dass die Eltern ihre Kinder in der Regel nicht zum Training oder Spiel begleiten, weil sie mit Arbeit oder Haushalt beschäftigt sind. Unser Ziel ist es, den kommunikativen Austausch zwischen Young Coaches und Eltern zu verbessern. Die Eltern sollen nachvollziehen, welche Inhalte im Training transportiert werden und welchen positiven Einfluss der Fußball auf das Leben ihrer Kinder haben kann. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen sind das vor allem die positiven sozialen Veränderungen, die das Fußballtraining hervorruft. Letztendlich geht es darum, die Eltern mit Vertrauen und Überzeugung dazu zu bringen, ihren Kindern die Teilnahme am Training zu ermöglichen.

FCSA: Tansania-Projekt findet erfolgreichen Abschluss

Was ist für dich der schönste Part im Projekt?
Einer der schönsten Momente ist immer der Willkommensgruß, weil dieser in Afrika ganz besonders zelebriert wird. Gerade im Vergleich zu der eher reservierten Begrüßung in Europa. Ansonsten kann ich keinen speziellen Teil hervorheben, da die Arbeit mit den Young Coaches immer eine unglaubliche Erfahrung für mich ist. Die Zertifikatsübergabe ist vor allem für die ausgebildeten Trainer ein ganz toller Moment. Darüber hinaus gibt es die Festivals, bei denen wir mit über 100 Kindern auf dem Platz stehen. Uns Ausbildern gibt das die Möglichkeit, die Young Coaches bei ihrer Arbeit zu beobachten, um zu sehen, was sie gelernt haben und wie sie die Inhalte an die Kinder transportieren. Es ist immer schön zu erfahren, wie die Kinder davon profitieren, dass die Young Coaches an unserer Trainerausbildung teilgenommen haben.

Im Zuge der Young Coach-Ausbildung nutzt ihr Spielformen, um soziale Inhalte zu vermitteln. Hast du ein konkretes Beispiel einer Spielform und wie sie dabei helfen kann?
Die Trainings unterscheiden sich maßgeblich von den Einheiten, wie wir sie zuhause im Leistungszentrum durchführen. Wir nennen das „Educational Games“, also Erziehungsspiele. Gemeinsam mit dem FC Basel haben wir uns überlegt, wie wir die Spiele mit dem Fußball verbinden können, um einen sozialen Mehrwert zu erzeugen. Ein Beispiel ist die „Online Child Protection“. Um die Kinder vor den Gefahren im Internet zu warnen, aber auch die Chancen im Umgang mit technologischen Geräten aufzuzeigen, haben wir ein fußballspezifisches Spiel zur Passwortsicherheit entwickelt. Dabei stand die Frage im Vordergrund, wie wir den Kindern vermitteln können, dass ein sicheres Passwort ein Gerät besser schützt als ein unsicheres Passwort. Als Beispiel für ein einfaches Passwort, das weniger schützt, sollten die Kinder einen Raum auf dem Fußballfeld allein verteidigen, wohingegen die Verteidigung gemeinsam mit Teamkameraden das sichere Passwort darstellt und Angreifer deutlich besser abwehrt. Auf diese Weise haben wir versucht, soziale Inhalte mithilfe von Trainingselementen zu transportieren. Das lässt sich auch auf Themen wie den Schutz vor Malaria anwenden. So kann man die Kinder spielerisch an soziale Themen heranführen. Da ist unsere Kreativität gefordert.

Wann bemerkst du, dass der Auszubildende bereit ist, als Trainer zu arbeiten?
Durch die von den Young Coaches durchgeführten Festivals haben wir die Möglichkeit, einen genauen Blick auf ihre Arbeit mit den Kindern zu werfen. Dabei bewerten wir, ob die Coaches soziale Verantwortung übernehmen können und wie gut sie die fußballspezifischen Trainingseinheiten leiten. Bei den Teilnehmern sind dann meist unterschiedliche Entwicklungsprozesse festzustellen. Einige bringen bereits eine gewisse Grunderfahrung mit, andere nehmen zunächst die Rolle des Beobachters ein und entwickeln sich dann im Laufe der Module. Der Vertiefungskurs jetzt war dazu da, um zu überprüfen, wie sich die Young Coaches während unserer Abwesenheit weiterentwickelt haben. Es gibt immer unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten und Leistungsniveaus bei den Auszubildenden, falls jemand aber gar keine Vorstellung vom Trainer-Dasein hat, empfehlen wir eine intensivere Auseinandersetzung bzw. einen Berufswechsel.

FCSA: Tansania-Projekt findet erfolgreichen Abschluss

Wie viel bedeutet es dir, Fußball fernab des europäischen Profifußballs zu erleben?
Zum ersten erdet es einen in jeglichen Aspekten. Ich finde solche Reisen immer sehr lehrreich, um seinen eigenen Lebensstil zu hinterfragen. Wir sind natürlich viel im Austausch mit den Menschen dort, die sehr neugierig sind, wie es hier in der Akademie oder beim Verein läuft. Es zeigt einem die komplette Breite des Sports. Fußball ist weltweit ein riesig großes Thema und hat überall unterschiedliche Erscheinungsformen. In den Projekten mit der FCSA steht aber in erster Linie die verbindende Kraft des Fußballs im Vordergrund, mit der wir es immer wieder schaffen, soziale Verantwortung zu lehren und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Mehrwert für ihr eigenes Leben zu bieten.

Dieses Jahr soll ein weiteres Ausbildungsprogramm stattfinden, bei dem die FCSA in den Grenzbereich der Ukraine reist. Zielorte sind Polen und Rumänien, die von direkten Flüchtlingsströmen aus der Ukraine betroffen sind. Auch hier möchte die FCSA Trainingsinhalte im Rahmen lokal relevanter Themen vermitteln, um sich nachhaltig in den Krisengebieten zu engagieren.

Seite teilen