Einer zum Pferde stehlen: Abschied von Willi Koslowski

Es ist 12 Uhr und 04 Minuten, natürlich, als das Schalker Vereinslied die Trauerhalle erfüllt. Die Gäste, darunter reichlich königsblaue Prominenz, stehen bis draußen, um mit Willi Koslowski einem der großen Meisterspieler von 1958 das letzte Geleit zu geben.

Abschied von Willi Koslowski

Ein vergleichsweise früher Anpfiff. Rund 150 Menschen haben sich am Mittwoch (24.7.) trotzdem unter blau-weißem Himmel auf den Weg gemacht zum Friedhof Beckhausen-Sutum. Einige verschlungene Straßen entfernt von der VELTINS-Arena sammeln sie sich in Anzügen und Kleidern unterschiedlicher Couleur – außer gelb – sowie Trikots mit sinnstiftender Beflockung: „Schalke“, „Kumpel“, „1904“.

Auf den Sitzpolstern der Trauerhalle liegen Autogrammkarten vom „Schwatten“, wie Koslowski ob seiner einst pechschwarzen Haarpracht gerufen wurde. Sie halten noch mal vor Augen, warum der kürzlich mit 87 Jahren Verstorbene seinen festen Platz in den Geschichtsbüchern des deutschen Fußballs innehat: Rund 250 Pflichtspiele für den S04 hat der Angreifer abgerissen, bei der WM 1962 in Chile gewirbelt, 1963 das allererste königsblaue Tor in der frisch aus der Taufe gehobenen Bundesliga erzielt.

Christina Rühl-Hamers auf der Trauerfeier von Willi Koslowski

Dass dieser Knappe ein waschechter war, daran erinnert Vorständin Christina Rühl-Hamers in ihrer Trauerrede: „Auf der Zeche Hugo zum Bergmann ausgebildet, tief unten im Kohlenstaub, hat er mit 18 Jahren seinen Knappenbrief in Händen gehalten.“ Karriere gemacht hat er an der frischen Luft, meist auf der rechten Außenbahn mit seinem kongenialen Pendant Heiner Kördell. „Die Geschichte bleibt und auch die Erfolge“, betont Rühl-Hamers, „doch die Zeitzeugen, sie werden leider immer weniger. Persönlichkeiten, welche das Kulturgut Schalke 04 lebhaft mit Beispielen belegen können.“

Willi war immer da, und er war sich für nichts zu schade.

Christina Rühl-Hamers

Sie selbst hat vor Jahren noch zusammengearbeitet mit dem „Schwatten“, als wieder mal eine Sonderregelung gefunden werden musste, weil er trotz Rentenalters partout weiterarbeiten wollte für seinen Verein und sich sogar den Urlaub ausbezahlen ließ, anstatt mal Abstand zu gewinnen vom Fußballzirkus: „Willi war immer da, und er war sich für nichts zu schade.“ Wohl wahr: Als Repräsentant nahm er die Fans mit auf Zeitreise, stand parat für Fotos und Autogramme, fuhr wichtige Lizenzunterlagen nach Frankfurt, holte Spieler zur Vertrags-Unterschrift vom Flughafen ab, besorgte Brötchen für die Belegschaft, verteilte Zeitungen und natürlich unzählige Briefe – legendär sein Dienstwagen mit der Aufschrift: „Post vom Meister“.

Einer zum Pferde stehlen, das kann auch Bodo Menze unterstreichen. Der langjährige Schalker und Knappenschmiede-Initiator hat sein Idol von früher in dessen letzten Jahren gerne im Seniorenheim besucht, um die guten, alten Zeiten aufleben zu lassen. An diesem Mittag ruft er in Erinnerung, dass es Willi Koslowski war, der die königsblaue Riege der „Siebener“ angestoßen hat: „technisch versiert, trickreich, quirlig, leichtfüßig – ein Straßenfußballer, wie er im Buche steht“. Als weitere Zeugenaussage führt er Sepp Herbergers Begründung für die WM-Nominierung des Knappen ins Feld: „Willi Koslowski ist ein mit allen Ölen gesalbter, gerissener Bursche, der sich die Butter nicht vom Brot nehmen lässt.“

Trauerfeier von Willi Koslowski

Warme Worte und wohlige Klänge wie das Steigerlied und „Zeig mir den Platz“ lassen nun vor allem in den vorderen Reihen wenige Augen trocken, ehe der Gang zum Schalker Fan-Feld beginnt. Im blumigen Mittelkreis, der letzten Grabstelle, die der Verein zur Verfügung hatte, ist das Mitglied der Ehrenkabine fortan weiß Gott in guter Gesellschaft neben „Ala“ Urban, „Boxer“ Täuber und „Stan“ Libuda. Mit Wehmut denkt Norbert Filthaus an die Werte, die Willi Koslowski stets gelebt hat. Vor Jahrzehnten hatte der ehemalige Arena-Pfarrer seinen Dienst im Berger Feld begonnen und war schwer beeindruckt, dass der Meisterspieler samt Familie zu seinen Schäfchen zählte.

Während eine leichte Brise die Ruhestätte streichelt, gesellt sich auch hier noch mal ein Hauch Historie dazu. Meisterspieler Manfred Kreuz, der 1958 im Finale gegen den Hamburger SV den 3:0-Triumph besiegelte, schickt ebenso ein Glückauf nach oben wie Schalkes Vorstandsvorsitzender Matthias Tillmann, Gremienmitglieder um Ehrenpräsident Gerhard Rehberg, Fahnenträger Olaf Thon, weitere Recken wie Rüdiger Abramczik, Helmut Kremers, Mathias Schipper, Didi Schacht und Mike Büskens, die Zeugwarte Enrico Heil und Holger Blumenstein sowie viele weitere aktuelle und ehemalige Vereinsmitarbeiter.

Und oben auf Wolke 7, da wächst der Schalker Legenden-Kader weiter und schaut hoffentlich ein wenig stolz herab.

Im Vereinsheim: Der Abschied von Willi Koslowski in Bildern

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