1899 Hoffenheim: Vom Überraschungs- zum Top-Team

Sättigung - ein in Hoffenheim unbekanntes Gefühl. Nach dem Rekordjahr steckt sich die TSG neue ehrgeizige Ziele und wagt sich erstmals über die Landesgrenzen hinaus. Der Saisonstart verlief zufriedenstellend, besitzt jedoch einen Makel.

Dennis GEIGER

Mit gesenkten Köpfen und hängenden Schultern schlichen die Spieler der TSG Hoffenheim an der Anfield Road vom Rasen. „Die Enttäuschung wird noch eine Zeit lang anhalten”, gestand Julian Nagelsmann, dessen Team im Rückspiel der Play-Offs zur Champions League vom FC Liverpool soeben phasenweise vorgeführt wurde. 1:2 und 2:4 lauteten die Ergebnisse gegen die Reds. „Man hat gesehen, dass uns die internationale Klasse für die Champions League noch fehlt”, erkannte der jüngste Trainer der Bundesliga-Geschichte.

Einfach akzeptieren möchte der ehrgeizige Coach diesen Umstand aber nicht: „Wenn ich erkenne, dass jemand in einem Bereich besser ist als ich, dann ist es mein Anspruch und der der Spieler, uns weiterzuentwickeln.” Die Europa League hält der 30-Jährige für den dafür geeignet Wettbewerb: „Dort können wir international reifen gegen Gegner, die besser zu uns passen.”

Angst vor der ungewohnten Dreifachbelastung ist den Kraichgauern fremd. „Sie werden das von uns nicht hören. Wir wissen, dass das eine Herausforderung ist, aber wir werden sie mit Mut und Ehrgeiz angehen”, betont Alexander Rosen, Direktor Profifußball. Nagelsmann sieht die zusätzlichen Spiele als „Belohnung für unsere tolle letzte Saison.” Der gebürtige Bayer setzt vor allem auf Psychologie: „Die Belastung ist immer tolerierbar, wenn du guten Fußball spielst und erfolgreich bist. Im Nachhinein empfindet man die Spiele dann als nicht mehr so anstrengend.”

Obendrein muss 1899 den Verlust der Nationalspieler Sebastian Rudy und Niklas Süle verkraften, die sich beide dem FC Bayern anschlossen. Serge Gnabry, der im Gegenzug von den Münchnern ausgeliehen wurde, sowie der aus England zurückgekehrte Havard Nordtveit sollen helfen, die entstandenen Lücken zu schließen.

Die größten Hoffnungen setzen die Verantwortlichen allerdings in den Trainer des Jahres 2017. Nach dem nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt 2016 formte Nagelsmann aus der TSG ein spielstarkes und selbstbewusstes Team, das sich durch hohe taktische Variabilität auszeichnet. Platz vier bedeutete die mit Abstand beste Saison der seit 2008 andauernden Hoffenheimer Erstklassigkeit.

Ob dieser Rekord lange Bestand haben wird, ist jedoch zweifelhaft. Denn nach fünf Spieltagen ist der Verein aus dem 3.000-Einwohner-Dorf noch ungeschlagen und steht mit elf Punkten glänzend da, was unter anderem einem 2:0-Heimsieg gegen die Bayern zu verdanken ist. Auf internationaler Bühne sind die Hoffenheimer dagegen noch nicht angekommen. Nach den Pleiten gegen Liverpool verloren sie auch den Auftakt zur Europa League gegen den SC Braga unnötig mit 1:2. Nagelsmann: „Wir haben eine schlagkräftige Truppe, mit der wir auch international etwas reißen wollen.“ In Zukunft sollen also auf europäischer Bühne nur noch die Gegner mit gesenkten Köpfen vom Platz schleichen.

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