1899 Hoffenheim: Zitterpartien

Dass Fußball mitunter verrückt ist, dürfte dieser Tage besonders im Kraichgau konsensfähig sein. „Wir werden es schaffen, die Liga zu halten“, ermutigte Clubchef Dietmar Hopp jüngst bei der Mitgliederversammlung moralisch verzagte Anhänger. Ein Appell, der verdeutlicht, wie sehr bei der TSG Hoffenheim die Perspektive verrückt worden ist.

Vorbei die Träume von Europa, der kalten Tabellenregionen lassen früh im Dezember frösteln – 17. Platz. Dabei hatten sie sich geschworen, derartige Zitterpartien nach der Relegations-Rettung von 2013 tunlichst zu vermeiden. Es folgte Rang neun im Jahr danach sowie vergangenen Mai ein eigentlich undankbarer achter Platz, womit der internationale Express knapp ohne die TSG enteilte. Nur fünf Monate später sitzt der Verein im Zug nach Nirgendwo/Landkreis Zweite Liga.

Einen Richtungswechsel hatten die Verantwortlichen Markus Gisdol, dem einstmaligen Retter, nicht mehr zugetraut: Der Übungsleiter war Ende Oktober keiner mehr. Auch dies ein Wink des Fußballschicksals, denn beerbt hat den ehemaligen Schalker Co-Trainer dessen ehemaliger Schalker Chef-Coach – Huub Stevens. Der Niederländer hat sich auf seine älteren Trainerjahre zum Spezialisten für unmögliche Missionen aufgeschwungen, was ebenfalls etwas aussagt über die Einschätzung der Dinge. Den VfB Stuttgart hat der 62-Jährige gleich zweimal vor dem Totalschaden bewahrt, nun möge er es bitte ein weiteres Mal richten, wenn auch ein paar Kilometer weiter nördlich.

Der Start fiel recht mager aus: null Siege, vier Unentschieden, eine Niederlage. Erst am vergangenen Spieltag fuhr Stevens mit der TSG mit einem 1:0 im Heimspiel gegen Hannover 96 seinen ersten Saisonsieg ein. War die Elf früher bekannt dafür, es im Angriff wie in der Abwehr klingeln zu lassen, weist sie heuer den zweitschwächsten „Sturm“ auf. Mehr Wirbel hat weder der ebenfalls mit königsblauer Vergangenheit ausgestattete Moskau-Rückkehrer Kevin Kuranyi entfachen können noch der Chilene Eduardo Vargas in der Kreativzentrale. Letzterer hatte noch im Sommer das Prädikat als Nachfolger von Roberto Firmino erhalten. Den begabten Brasilianer hatte es für rund 40 Millionen Euro zum FC Liverpool gezogen.

Inwiefern Huub Stevens‘ Talent als Übergangstrainer zum Tragen kommt, wird vornehmlich die Rückrunde zeigen müssen. Während der alte Hase den Club in der Bundesliga halten soll, büffelt sein designierter Nachfolger für die Lizenz als Fußballlehrer: Der erst 28-jährige U19-Coach Julian Nagelsmann wird das Team ab kommendem Sommer führen, wie der Verein frühzeitig verkündet hat – bei der offiziellen Vorstellung von Huub Stevens. Fußball ist mitunter verrückt.

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