Hertha BSC: Alte Dame in frischem Gewand

Vor gut einem Jahr trennten Hertha BSC gerade mal drei Punkte vom Abgrund in die Zweite Bundesliga. Und jetzt? Aus dem abstiegsbedrohten Hauptstadt-Club ist die tabellarisch momentan drittstärkste Kraft der Bundesliga geworden. Ein bärenstarker Aufstieg, der für Chef-Trainer Pal Dardai nicht überraschend kam.

„Das ist kein riesiger Luftballon, den wir aufgeblasen haben und dem jetzt die Luft ausgeht“, gab der Ungar selbstbewusst zu Protokoll, nachdem seine Elf am 17. Spieltag den 1. FSV Mainz 05 mit 2:0 besiegte und damit auf Platz drei überwinterte. So selbstverständlich, wie er es formulierte, war es für die Spieler nicht. „Es ist Wahnsinn, was hier passiert“, sagte Abwehrmann Sebastian Langkamp geplättet. „Wir brauchen jetzt erst einmal einige Tage, um zu realisieren, was wir hier geleistet haben.“

Zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Spielzeit steckten die Berliner unter der Regie von Jos Luhukay noch tief im Abstiegskampf, drohten nach 2010 und 2012 wieder in die Zweitklassigkeit zu rutschen. Luhukay und die Hertha trennten sich, Dardai übernahm nach der Winterpause zunächst interimsweise. Der Ex-Profi wendete den Abstieg ab – wenn auch denkbar knapp. Nur dank des besseren Torverhältnisses blieb dem Team die Relegation erspart. Aus dem Retter wurde eine erfolgreiche Dauerlösung: Hertha kämpft nun um Europa statt um den Klassenerhalt.

Damit hatte Manager Michael Preetz nicht gerechnet: „Die Mannschaft hat eine rasante Entwicklung genommen.“ Was die Transformation vom Kellerkind zum Champions-League-Aspiranten noch beeindruckender macht: Dardai und Preetz haben den Kader nur punktuell verstärkt. Das Duo verpasste der Alten Dame ein frisches Gewand – gestickt aus effizientem Stoff. Die Statistik belegt: Die Berliner schossen bisher ligaweit am wenigsten aufs Tor, weisen aber gleichzeitig die drittbeste Torquote auf.

Die Balance stimmt vorne wie hinten. Stürmer Salomon Kalou bekam mit Vedad Ibisevic, beim VfB Stuttgart ausrangiert, einen passenden Partner an die Seite. Beide zeigten sich für mehr als die Hälfte aller geschossenen Hertha-Tore verantwortlich. Auf der rechten Abwehrseite erwies sich Mitchell Weiser als echter Goldgriff. Das Talent hatte bei Bayern München keine Perspektive mehr und blühte bei den Herthanern förmlich auf. Auch ihm ist es zu verdanken, dass der Club einer der besten Abwehrreihen der Liga stellt.

„Die Mannschaft hat die Qualität für einen viel, viel besseren Tabellenplatz“, prophezeite Dardai bei seiner offiziellen Vorstellung im Februar 2015. Der 39-Jährige behielt Recht und ist noch lange nicht satt. Er ist eben kein Genießer und scheut die harte Kritik nicht. „Wenn Du so spielst, hast Du oben nichts zu suchen“, polterte er am vergangenen Spieltag nach der 0:2-Pleite beim Hamburger SV. „Gegen Schalke müssen wir wieder ein anderes Gesicht zeigen.“

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