Hertha BSC: Beauty-Kur für die Alte Dame

Die „Alte Dame“ aus Berlin war einst eine junge, blühende Schönheit. Namen wie Marcelinho, Arne Friedrich oder Marko Pantelic zierten sie, und sie durfte Jahr für Jahr um die europäischen Plätze rangeln. Doch das ist lange her.

Seit 2009 ist mitunter hässlicher Abstiegsbeziehungsweise Aufstiegskampf angesagt. Chef-Trainer Pal Dardai verpasst der Hauptstadt-Lady hingegen eine ausbalancierte Beauty-Kur aus Kampfgeist und Offensivdrang. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Die deutsche Hauptstadt hat einen kantigen, klaren, rebellischen Ruf. Berlin ist sexy. Was man vom ortsansässigen Fußballclub nicht behaupten kann. In den vergangenen Jahren wirkte die Hertha konturlos. Nicht nur das Ansehen, auch der Fußball: einfallslos. Dass die Mannschaft von Chef-Trainer Pal Dardai nun nach acht Spieltagen auf dem vierten Tabellenplatz logiert, hätte vor der Saison kaum einer zu träumen gewagt.

Vier Siege verbuchten die Berliner bisher. Niederlagen setzte es lediglich gegen die opulent besetzten Mannschaften aus Wolfsburg und Dortmund. Diese beachtliche Ausbeute dürfte insbesondere am eifrigen und verlässlichen Mittelfeldzentrum liegen, dessen Schwerpunkt Dardai je nach Gegner flexibel verlegen kann. Per Skjelbred ist dabei die unveränderliche Größe auf der Sechs. Ob Vladimir Darida dann neben ihm aufräumt oder offensiver im Zentrum eingesetzt wird, und ob der wiedergenesene Tolga Cigerci zentral die Bälle verteilt oder gemeinsam mit Genki Haraguchi die Flügelzange bildet, hängt von der Spielweise des Gegners ab.

„Wir haben ein gutes Mittelfeldpressing“, meint der ungarische Coach, „deshalb können wir nach vorn verteidigen.“ Doch was sich das Mittelfeld fleißig erarbeitet, muss der Sturm auch verwerten. Daran haperte es vergangene Saison: Julian Schieber war mit genügsamen sieben Treffern noch Berliner Top-Knipser, Star-Zugang Salomon Kalou kam überhaupt nicht in Tritt. Doch der Ivorer scheint in Neuankömmling Vedad Ibisevic seinen kongenialen Angriffspartner gefunden zu haben. Zusammen bilden sie ein schlagkräftiges Duo, in dem jeder in seiner Rolle aufgeht – Kalou als hängende Spitze im Windschatten des Bosniers und eben jener als Strafraum-Vollstrecker.

Wird in zehn oder 15 Jahren erneut ein Text an die „blühende Schönheit“ erinnern? Diesmal mit Darida, Kalou und Ibisevic als Dekor? Der Verein ist jedenfalls bemüht, die Erwartungen seiner Fans nicht übers Ziel hinausschießen zu lassen. Diese sangen während des Heimspiels gegen den Hamburger SV bereits: „Wir lieben den Europacup!“ Ein mutiges Bekenntnis. Vorerst muss die „Alte Dame“ nämlich beweisen, dass sie im Rampenlicht immer noch verlockenden Fußball spielen kann und auch nach Rückschlägen standhaft bleibt. Sonst kann ebenso schnell wie es bisher bergauf ging, die Abwärtsspirale in Tritt kommen. Wobei: Mit Rückschlägen müsste der Verein mittlerweile souverän umzugehen wissen.

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