Werder Bremen: Motivationscoach

Abstiegskampf, Albtraumstart, Aufbruchstimmung. Kaum dass die monströsen Schrecken der Vorsaison aus den Trikots geschüttelt waren, krachte der Werder Bremen schon wieder auf den Tabellenboden. Wo andere Unternehmen einen Motivationscoach mieten, um ihre Belegschaft auf Kurs zu bringen, setzten die Hanseaten einen solchen direkt auf den Chef-Posten.

Selbst in Bremen sind die Epochen Rehhagel‘scher Ottokratie oder Schaaf’scher Unwandelbarkeit nur noch im vereinseigenen „Wuseum“ zu bestaunen. Die Älteren erinnern sich. Eines Trainers Halbwertzeit ist inzwischen geschrumpft wie andernorts. Weil Eigengewächse etwas zählen an der Weser, hatten sie nach der Kurzgeschichte mit Robin Dutt vor zwei Jahren einem der Ihren vertraut, auch wenn der eigentlich aus der Ukraine kommt. Viktor Skripnik übernahm einen Tabellenletzten und führte ihn in der Endabrechnung bis auf den zehnten Platz. Unaufgeregt, bodenständig, halt so, wie der Publikumsliebling als Aktiver in 164 Pflichtspielen für seinen Verein aufgeräumt hatte.

Diesen September hat die Führung ihn abgeräumt. Pokalpleite bei den Sportfreunden Lotte, null Punkte nach drei Spielen. Das ließ nichts Gutes mehr ahnen nach dem erst am letzten Spieltag im Mai gesicherten Klassenerhalt. Weil die Sache mit den Eigengewächsen noch immer etwas zählt an der Weser, ist Werder erneut den Weg gegangen, der wenigstens temporär zum Erfolg gewiesen hatte. Wie weiland sein Vorgänger erhielt auch Alexander Nouri die ehrenhafte Beförderung vom U23-Coach zum Chef-Trainer des Profikaders.

Vom Typus hingegen ist der 37-Jährige beileibe kein Wiedergänger des stoisch anmutenden Skripnik, sondern im Gegenteil hüpfend, tobend, jubelnd am Rasenrand zu beobachten. Impulse, die auf die Spieler übergesprungen sind, die lange Zeit zuvorderst mit sich selbst zu kämpfen hatten. Wenn sie denn überhaupt wettkampftauglich waren: Max Kruse, Claudio Pizarro, Philipp Bargfrede, Jaroslav Drobny, die Liste der Langzeitausfälle zieren noch weitere prominente Namen.

Notgedrungen nutzte das Schattenkabinett die freigewordenen Plätze im Rampenlicht. Frei vom Ballaststoff der jüngeren Vereinsgeschichte brachten Neulinge wie Olympia-Silbermedaillengewinner Serge Gnabry, Ousman Manneh und Lamine Sane genau die Energie ins Spiel, die ihr Coach freigesetzt hat. Hinzu kommt die positive Ladung von den Rängen eines immer öfter rappelvollen Weser-Stadions. Trotz zuletzt zwei Niederlagen in Folge: Rahmenbedingungen für eine neue Hoffnung. So sehr sie in Bremen Beständigkeit gewohnt waren, Abstiegsangst soll keine werden.

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