Peter Knäbel: Evolution statt Revolution

Die Königsblauen werden ihr Fußball-Angebot für Frauen intensivieren und deshalb eine neue Direktion Fußball Frauen schaffen. Die Verantwortung für diese Direktion liegt direkt bei Peter Knäbel. Im Interview mit schalke04.de spricht das für Sport zuständige Vorstandsmitglied der Knappen über den Saisonstart, die sportliche Ausrichtung, die Talentförderung sowie die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen in der Region.

Peter Knäbel

Peter, die Bezirksliga-Fußballerinnen sind mit drei Siegen sowie einem Torverhältnis von 19:04 in die Saison gestartet und stehen unangefochten an der Tabellenspitze. Wie sehr freust du dich über diese Momentaufnahme?
Sie ist in der Tat ein sehr schönes Bild, da die Tabelle zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dies gilt aber nicht nur für das Bezirksliga-Team, sondern auch für die vier weitere Mannschaften – die Kreisliga-Fußballerinnen sowie die U21-, die U17- und U11-Juniorinnen. Viel wichtiger als die aktuellen Tabellenstände ist mir allerdings etwas anderes: die Auftritte unserer Mannschaften in den vergangenen Wochen und Monaten. Unsere Spielerinnen haben immer wieder unterstrichen, mit wie viel Spaß sie bei der Sache sind.

Mit der Entscheidung, eine neue Direktion zu schaffen, untermauert der Verein sein Engagement im Bereich Fußball für Frauen.
Das ist richtig und wichtig. Ein Fußball-Angebot für Frauen haben wir vor zwei Jahren wieder ins Leben gerufen, nachdem es dieses bereits von 1975 bis 1987 gegeben hat. Im Vorfeld hatten wir mit einem großen Interesse gerechnet. Aber unsere Erwartungen sind noch einmal um ein Vielfaches übertroffen worden, was mich sehr freut. Froh bin ich zudem darüber, dass wir mit Boris Liebing seit dem ersten Tag einen sehr engagierten Leiter der Abteilung haben, für den das Ganze ebenfalls eine Herzensangelegenheit ist.

Alle Spielerinnen sind auch hervorragende Botschafterinnen für den FC Schalke 04 gewesen. Durch ihre Auftritte ist es ihnen schnell gelungen, weitere Mädchen und Frauen für den Fußball zu begeistern.

Peter Knäbel

Neben dem großen Interesse – für das erste Sichtungstraining auf dem Vereinsgelände im Sommer 2020 hatten sich knapp 350 fußballbegeisterte Frauen angemeldet – haben sich schnell erste Erfolge eingestellt.
Unsere beiden Seniorinnen-Teams, die im ersten Jahr in der Kreisliga an den Start gegangen sind, haben die Tabelle im Vorjahr als Meister sowie als Vize-Meister abgeschlossen. Eine Mannschaft ist damit in die Bezirksliga aufgestiegen, die andere nimmt weiterhin am Spieltrieb der Kreisliga teil. Wir als Vorstand haben beiden Teams zu einer sportlich exzellenten Saison gratulieren können. Zudem, und das freut mich besonders, sind alle Spielerinnen auch hervorragende Botschafterinnen für den FC Schalke 04 gewesen. Durch ihre Auftritte ist es ihnen schnell gelungen, weitere Mädchen und Frauen für den Fußball zu begeistern.

Bayern München, der VfL Wolfsburg oder auch Eintracht Frankfurt – um nur einige Beispiele zu nennen – spielen mit ihren Mannschaften nicht nur im Herrenbereich in der Bundesliga, sondern auch mit ihrem Frauen-Team. Peilt auch der FC Schalke 04 mittelfristig die Teilnahme am Spielbetrieb der Frauen-Bundesliga an?
Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir mögliche Erfolge nicht am Reißbrett planen wollen. Das passt nicht zu unserer Philosophie. Wir wehren uns natürlich nicht dagegen, wenn unsere Frauen-Mannschaft auch in diesem Jahr erneut aufsteigen sollte und im kommenden Spieljahr in der Landesliga an den Start geht. Aber das ist nicht unser primäres Ziel.

Christina Rühl-Hamers und Peter Knäbel

Wie lautet stattdessen euer vorrangiges Anliegen?
Wir möchten vor allem Mädchen und Frauen in Gelsenkirchen sowie der näheren Umgebung für den Fußball begeistern. In NRW sind wir der Fußballkreis mit der geringsten Quote an Mädchen- und Frauenmannschaften. Das wollen wir ändern. Die Mädchen und Frauen brauchen eine sportliche Perspektive und Heimat, die möchten wir ihnen geben. Deshalb ist uns auch die Zusammenarbeit mit den anderen Vereinen in der Region ein sehr wichtiges Anliegen.

Wie sieht diese Zusammenarbeit konkret aus?
Um Spielerinnen auszubilden und Talente bestmöglich zu fördern, ist es wichtig, gute Trainerinnen und Trainer zu haben. Deshalb haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, die Qualifizierung von Übungsleiterinnen und Übungsleitern in unserer Region zu fördern. Über unsere Stiftung Schalke hilft! zahlen wir deshalb in unserem Fußballkreis die C-Lizenz-Ausbildung. Davon profitieren nicht nur wir als FC Schalke 04, sondern alle Vereine.

Es hätte im Sommer 2020 auch die Möglichkeit bestanden, den Startplatz eines Vereins, der im Frauenbereich höherklassig spielt, zu übernehmen. Warum hat sich der FC Schalke 04 dagegen entschieden?
Zu Beginn unserer Überlegungen haben wir uns tatsächlich kurzzeitig mit diesem möglichen Szenario beschäftigt, diesen Weg dann aber sehr schnell ad acta gelegt. Ich bin für Evolution statt Revolution. Unser Engagement ist langfristig angelegt und soll organisch wachsen – und nicht erkauft werden. Deshalb stand von Anfang an auch fest, dass wir keine Profis verpflichten, die die Wahrscheinlichkeit irgendwelcher Durchmärsche in die nächsthöheren Ligen erhöhen. Der Einstieg in den Fußball der Frauen ist daher auch über den Breitensport und damit das Ehrenamt angelaufen. Und so soll es erst einmal auch bleiben.

Mir bereitet es viel Freude, wenn ich sehe, wie unsere Spielerinnen im Schalke-Trikot auftreten. Und das geht nicht nur mir und meinen Mitstreitern im Vorstand so.

Peter Knäbel

Neben den beiden Seniorinnen-Teams hat der Verein auch drei Mannschaften für Mädchen und junge Frauen ins Leben gerufen. Ist das vergleichbar mit einer „Knappenschmiede“ im Juniorinnen-Bereich?
In dieser Saison haben wir eine U21, eine U17 und eine U11 ins Rennen geschickt. Weitere Teams könnten in Zukunft folgen. Wir möchten nach und nach immer mehr Mädchen und jungen Frauen die Möglichkeit geben, die Fußballschuhe für Königsblau zu schnüren und sich hier fußballerisch zu entwickeln. Ich habe mir in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Trainingseinheiten angeschaut und bin begeistert von dem Engagement unserer Juniorinnen. Sie sind mit großem Eifer bei der Sache. Mir bereitet es viel Freude, wenn ich sehe, wie unsere Spielerinnen im Schalke-Trikot auftreten. Und das geht nicht nur mir und meinen Mitstreitern im Vorstand so.

Auch deine Wertschätzung für den Fußball der Frauen besteht schon seit langer Zeit. In deiner Funktion als Technischer Direktor des Schweizerischen Fussballverbandes hast du diesen Bereich in der Vergangenheit stark gefördert und im Jahr 2012 die ehemalige deutsche Nationalspielerin Martina Voss-Tecklenburg als Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft installiert.
Wir hatten eine sehr erfolgreiche gemeinsame Zeit. Unter anderem hat Martina die Frauen-Mannschaft der Schweiz erstmals in der Geschichte zur Weltmeisterschaft geführt. Sie hat überragende Qualitäten als Trainerin, ihre Erfolge sind kein Zufall.

Das hat sie mit der deutschen Nationalmannschaft, die sie seit rund vier Jahren trainiert, zuletzt auch bei der Europameisterschaft in England bewiesen. Deutschland musste sich erst in der Verlängerung des Endspiels den Gastgeberinnen geschlagen geben …
… und durfte sich am Ende des Turniers trotzdem als Sieger fühlen. Die Auftritte unserer Nationalmannschaft waren Werbung für den Fußball. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass das Interesse am Fußball für Frauen in den kommenden Monaten weiterhin wachsen wird, wovon zum einen wir als Schalke 04, aber auch die anderen Vereine in der Region sowie in ganz Deutschland profitieren werden. Und genau das ist es, was wir möchten.