Wiedersehen nach über 20 Jahren - Wie die Väter...

…, so die Söhne: David Nachtigall, Thiago Boden und Devin Feledyk spielen in der Knappenschmiede. Wie einst ihre Papas, die um die Jahrtausendwende Teil des königsblauen Nachwuchses waren. Im Schalker Kreisel berichten sie, wie sie sich nun an der Seitenlinie wiedertrafen.

Die Freudentränen kann David Nachtigall im Frühjahr 2020 nicht zurückhalten, er will es auch nicht. „Als der Anruf kam, dass Schalke ihn für die U8 haben möchte, ist es aus ihm herausgebrochen“, erzählt der stolze Vater Stephan Nachtigall. Auch für ihn ist es eine besondere Nachricht, denn er selbst trug als Jugendlicher das Knappen-Trikot, wurde 2002 gar Deutscher B-Jugend-Meister in einer Mannschaft mit Tim Hoogland, Kai Hesse und Michael Delura.

Nicht allein die Freude des Filius, in die Fußstapfen des Vaters treten zu dürfen, macht diese Geschichte so besonders. Denn bei einem der Probetrainings überzeugt nicht nur David Nachtigall, auch Thiago Boden spielt alles und jeden an die Wand. Boden? Da klingelt es bei Papa Nachtigall. Und siehe da: Nach über 20 Jahren treffen sich zwei Männer beim Training der Söhne, die einst selbst zusammen für den S04 kickten. „Das Gesicht habe ich gleich erkannt, jetzt sehe ich es wieder mehrfach in der Woche“, scherzt Marcel Boden.

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Die beiden Väter erleben drei gemeinsame Jahre im königsblauen Nachwuchs. Ausgerechnet 2001, vor dem Auftakt in die Spielzeit, die für die B-Junioren mit dem Meistertitel enden soll, verlässt Boden den Club. „Wieso ich das getan habe, frage ich mich bis heute“, gibt er zu. Sein Weg führt ihn zum MSV Duisburg und zu Rot-Weiß Oberhausen, ehe er im letzten A-Jugendjahr mit dem Schritt in die Bezirksliga endgültig einen Haken hinter sämtliche Profiträumereien setzt.

Mit der Zeit verschieben sich die Prioritäten: Boden absolviert eine Ausbildung zum Industriemechaniker, arbeitet mittlerweile für ein Tochterunternehmen der Stadt Oberhausen, wird Vater zweier fußballbegeisterter Söhne – und lässt sich überreden, selbst Kids zu trainieren und eigene Einsätze auf das Altherren-Team zu beschränken. „So verbringe ich heute noch sieben Tage in der Woche auf Fußballplätzen. Häufiger als früher“, erklärt er und lacht. Auf einem Hallenturnier entdeckt Knappenschmiede-Scout Frank Nehling schließlich Sohn Thiago – und erkennt auch den Papa von früher wieder.

Etwas länger hielt der Profitraum indes bei Stephan Nachtigall, mit dem Boden in seiner dreijährigen Knappenzeit viel unternimmt. Bis zur A-Jugend bleibt er auf Schalke, ehe sich so mancher Stolperstein auftut. Statt durch die Ausbildung von Norbert Elgert zu gehen, erlebt Nachtigall ausgerechnet das Jahr, in dem der mehrfache U19-Meister-Coach zum Co-Trainer der Profis aufsteigt. „Er wäre das Nonplusultra gewesen“, meint Nachtigall, der damals auch U18-Nationalspieler ist und vom nächsten Schritt träumt.

Schalke zu verlassen, war die schlechteste Entscheidung, die ich je getroffen habe.

Stephan Nachtigall

Doch beim Start der Gesamtschule Berger Feld knirscht noch so einiges. „Es gab keine wirklichen Aufenthaltsmöglichkeiten für uns Spieler, die nach dem Unterricht auf das abendliche Training warten mussten“, erinnert sich das einstige Talent. Die Folge: Nachtigall legt sich symbolträchtig auf den Mittelkreis des Kunstrasenplatzes neben der Geschäftsstelle, um sich auszuruhen. Die Nachwuchs- „Bosse“ Bodo Menze und Helmut Schulte zitieren ihn ins Büro. Unzufriedenheit macht sich beim Spieler breit, bis er schließlich zu Drittligist Rot-Weiß Essen in seine Heimatstadt wechselt. Heute sagt er: „Schalke zu verlassen, war die schlechteste Entscheidung, die ich je getroffen habe.“

Und so endet auch die Bundesliga-Hoffnung von Stephan Nachtigall – selbst wenn es damals noch nicht absehbar ist. Doch mehr als Drittliga-Fußball in Essen, beim Wuppertaler SV, beim BSV Kickers Emden und bei der SSVg Velbert wird es nicht werden. „Dann kam David 2013 zur Welt, und mit Schichtdienst war nur noch Amateurfußball möglich.“ Nach seiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann während der Zeit in Velbert wird er Justizvollzugsbeamter in der JVA Essen.

Über Sohn David schließt sich der königsblaue Kreis, als Nachwuchs-Scout Willi Schmalz den Junior auf einem Turnier entdeckt und zu diversen Probeeinheiten Ende 2019 einlädt. Ihn kennt Nachtigall ebenso wie seinen früheren Mitspieler Boden, den er wenige Monate später wiedertrifft.

Ähnlich ergeht es Kamil Feledyk, dem dritten Vater im Bunde. Von 1996 bis 1998 spielen er und Nachtigall in einer Mannschaft auf Schalke, bis Feledyk genau dann wechselt, als Boden dazustößt. „Eigentlich lief alles gut für mich, doch mein damaliger Trainer hat mich mit diversen Versprechungen nach Essen gelotst.“ Auch seine zweite Leidenschaft nimmt viel Zeit in Anspruch: Feledyk kämpft sich im Taekwondo bis in die Nationalmannschaft und die erweiterte Auswahl für Olympia 2004 in Athen.

Die beiden sportlichen Träume zerbrechen mit den Jahren aufgrund diverser Kreuzbandverletzungen, der Weg führt ihn erst Jahre später nach der Geburt zweier Söhne zurück in den Fußball. Über den Sportkollegen seiner Frau, die als Lehrerin an einem Gymnasium arbeitet, landen Devin und sein Vater im Vereinsfußball bei der SG Wattenscheid 09 – wo Papa Kamil nach einiger Zeit erste Trainertätigkeiten übernimmt und nach einiger Zeit von Sam Farokhi aus der Knappen[1]schmiede angesprochen wird. 2019 hatte der seinen Sohn bereits für die U8 zum S04 geholt – ein Jahr später zog der Vater nach.

Die Schalker DNA trägt man in sich, und ich hätte nie gedacht, dass ich mal Coach beim S04 werden würde.

Kamil Feledyk

„Es sind die Emotionen und alte Bekannte, die einen wieder zu Königsblau zurückholen“, erklärt Feledyk. „Die Schalker DNA trägt man in sich, und ich hätte nie gedacht, dass ich mal Coach beim S04 werden würde.“ Als Co-Trainer kümmert sich der 36-Jährige um die U10, während Sohn Devin einen Jahrgang tiefer kickt – und für das besondere Wiedersehen zwischen seinem Papa und Stephan Nachtigall sorgt. „Eine ganz besondere Erinnerung ist das Vorspiel im Parkstadion, das wir einst vor dem Duell der Profis gegen den FC Bayern München absolvieren durften“, beschreibt Feledyk.

Erinnerungen, die in der heutigen Zeit noch so manche Nachmittage am Fußballplatz füllen. Damals hat das Trio nicht ahnen können, die eigenen Kids im selben Jahrgang auf Schalke spielen zu sehen. „Dass alle drei für die Mannschaft ausgewählt wurden, war natürlich das Highlight der vergangenen Monate für uns“, schwärmt Nachtigall. Und auch wenn es mit der eigenen Profikarriere nicht geklappt hat – letztlich hat sie der Fußball auf Schalke wieder vereint.

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