Christian Heidel: Neues Schalke-Gefühl entwickeln

Christian Heidel, Vorstand Sport und Kommunikation, sprach bei der Mitgliederversammlung am Sonntag (26.6.) über seine Analyse des Ist-Zustands und die Pläne für eine erfolgreiche sportliche Zukunft. schalke04.de notierte die wichtigsten Aussagen.

Christian Heidel über ...

… seine ersten Wochen als Schalker:

Als ich nach 263 Kilometern aus Mainz über die Autobahn kam und die Flutlichtmasten des Parkstadions und die VELTINS-Arena gesehen habe, war ich glücklich. Ich habe keine einfache Aufgabe gesucht – ich wollte eine echte Herausforderung. Ich habe diese echte Herausforderung gefunden bei einem außergewöhnlichen Club mit unglaublichem Potenzial. Und dafür bin ich sehr, sehr dankbar und, das kann ich versprechen: bis in die Haarspitzen motiviert. Wenn wir bei Schalke 04 alle an einem Strang ziehen und das Wohl des Clubs über allen Eigeninteressen steht, dann ist Schalke 04 nur ganz schwer aufzuhalten.

… Horst Heldt:

Ich möchte mich bei Horst Heldt bedanken. Es war für mich keine einfache Situation im vergangenen Dreivierteljahr. Doch vom ersten Tag an war für mich der Einstieg trotz eines laufenden Vertrags ausgeschlossen. Horst und ich sind sehr fair miteinander umgegangen. Wir haben uns ein halbes Jahr lang ausgetauscht und anfängliche Irritationen schnell ausgeräumt. Anfang Mai haben wir eine sehr anständige Übergabe gemacht, und auch heute kann ich ihn jederzeit anrufen. Dafür noch mal: herzlichen Dank.

… Strategie:

Schalke 04 ist ein erfolgreicher Verein, und wir wollen gemeinsam versuchen, dass er noch erfolgreicher wird. Sportlicher Erfolg ohne wirtschaftlichen Erfolg funktioniert nicht. In 24 Jahren Profifußball habe ich eins gelernt: Erfolg ist immer von Kontinuität abhängig: in der Führung, beim Personal, aber ganz besonders bei Philosophie und Idee. Ich habe mich in Mainz gefragt, wie kann es sein, dass ein Verein, eine Mannschaft wie Schalke 04 dieses Jahr nur zwei Punkte vor Mainz steht, obwohl der Mannschaftsetat auf Schalke drei- bis viermal höher ist. Es fehlt ein wenig an der Gesamtstrategie. Die meistgestellte Frage bei Bewerbungsgesprächen an die Bewerber ist: Erklären Sie mal Ihr Konzept. Das ist die falscheste Frage, die ein Aufsichtsrat stellen darf – der Verein muss ein Konzept haben. Und er muss sein Personal nach diesem Konzept aussuchen. Das spart Geld, es sorgt für Identifikation und Berechenbarkeit. Jeder weiß, was er bekommt und was nicht.

… sein Fünf-Säulen-Modell:

Strategie und Philosophie sind für mich wie das Dach eines Hauses, das von fünf Säulen getragen wird. Wackelt eine Säule, dann wackelt das Haus. Wackeln zwei, stürzt das Haus ein. Die Säule eins ist die wirtschaftliche Solidität eines Fußballvereins. Ich sage dies deswegen, weil Schalke 04 gerade den teuersten Transfer seiner Vereinsgeschichte abgewickelt hat. Wir haben mit Breel Embolo den am meisten umworbenen jungen Spieler in ganz Europa verpflichtet. Trotzdem ist die wirtschaftliche Stabilität in keinster Weise beeinträchtigt. Der Wechsel ist perfekt, ohne dass deswegen zwingend jemand verkauft werden muss. Es ist der zweite Transfer nach Naldo – und der zweite, bei dem im Vorfeld alle involvierten Personen stillgehalten haben. Seit Wochen war in den Sportgazetten zu lesen: Wechselt Embolo zu RB Leipzig oder zu Manchester United? Über den FC Schalke hat niemand etwas gelesen, aber beim FC Schalke ist Embolo gelandet.

… den Chef-Trainer:

Die zweite Säule ist der Trainer. Es ist in meinen Augen die wichtigste Person im Verein. Ein guter Trainer macht aus einer durchschnittlichen Mannschaft eine gute, ein schwächerer Trainer macht aus einer guten Mannschaft eine durchschnittliche. Ich hatte das große Glück, in den vergangenen 15 Jahren mit drei Top-Trainern zusammenarbeiten zu dürfen. Ich habe mir überlegt, wie sieht der ideale Trainer aus? Dabei verhält es sich wie bei einer Pyramide: Unten ist sie breiter und steht für Intelligenz als Basis für alles. Das Fachwissen kommt oben drüber, soziale Kompetenz, Authentizität. Man glaubt kaum, wie viel Energie man verbraucht, wenn man sein möchte, was man gar nicht ist; wenn man jeden Tag überlegt, wie muss ich sein, um so zu werden? Ein authentischer Trainer hat Energie für seinen Job, nicht für Gedanken, wie er sein müsste. Charisma, Rhetorik, Loyalität sind ebenfalls wichtig. Es fehlt: der Begriff Erfahrung. Erfahrung ist wichtig, aber in meinen Augen mit weitem Abstand nicht das Wichtigste. Ich habe drei sehr unerfahrene Trainer zu Bundesliga-Trainern gemacht mit Jürgen Klopp, Thomas Tuchel und Martin Schmidt. Aber sie alle haben es in Kürze ausgeglichen mit ihrer Intelligenz. Und ich habe nun einen Trainer verpflichtet mit Markus Weinzierl, der nicht Bayern München trainiert hat und nicht Real Madrid. Aber: Er hat bei seinen beiden Arbeitsstellen erfolgreich gearbeitet und ist noch nie entlassen worden. Er hat Jahn Regensburg in die Zweite Bundesliga geführt und den FC Augsburg im zweiten Bundesliga-Jahr bis in die Europa League. Er ist innovativ und er ist extrem ehrgeizig. Ich glaube, dass Markus Weinzierl genau das ist, was Schalke 04 jetzt braucht. Einen neuen Trainer mit neuem Schwung, der mit einer jungen Mannschaft arbeiten kann und arbeiten wird.

… die Mannschaft:

In diesem Fall: Säule drei. Schalke 04 hat eine gute Mannschaft. Ziel ist es, diese noch zu verbessern. Dabei kommt es auf die Mischung an: Erfahrung und Jugend –  Naldo und Embolo. Tempo und Übersicht, Häuptlinge und Indianer, Künstler und Arbeiter. Schalke 04 hat die beste Nachwuchsabteilung in Deutschland. Ich kann versichern, dass die Knappenschmiede für mich persönlich wie für unser Trainerteam eminent wichtig ist. Wir werden versuchen, die Zusammenarbeit zwischen Profiabteilung und Knappenschmiede noch zu intensivieren, weiter zu verbessern. Keine Mischung gibt es bei einem: bei der Identifikation unserer Spieler mit dem Verein, mit der Region, mit den Menschen hier. Sie sollen nahbar sein, greifbar, ansprechbar. Shakehands statt Security. Wir wollen der Verein für die Menschen dieser Region sein, die Mannschaft muss in eurer Mitte sein. Werte wie gegenseitiger Respekt in unserer Gruppe sind alternativlos. Dazu gehören Zeugwart, Mediziner, Busfahrer, Physiotherapeuten – wir sind ein Team. Die Spieler haben diesem Team den Respekt zu zollen, den es verdient, denn ohne dieses Team werden die Spieler nicht erfolgreich sein.

… Arbeitsbedingungen:

Säule vier: Das betrifft nur zu einem kleinen Teil die Fußballfelder rund um die Geschäftsstelle. Der Trainer des FC Schalke 04 muss die besten Arbeitsmöglichkeiten bekommen, die bestmöglichen Co-Trainer, Athletik-Trainer, Reha-Trainer, Analyse-Trainer, Mediziner. Ein Trainer allein ist ohne dieses Team nur die Hälfte wert. Aber er braucht auch die bestmögliche Infrastruktur und Ausstattung für die Analyse. Wir brauchen Top-Büros und Top-Möglichkeiten für ein Trainerteam, das nicht nur kommt, um 90 Minuten Training auszuüben, sondern das morgens kommt und abends geht. Modernste Kommunikationsmittel, wir brauchen ein Scouting-Konzept, und wir nutzen alle technischen Möglichkeiten, die es gibt. Hier hat Schalke 04 einen großen Rückstand aufzuholen, nicht nur einen Rückstand auf Clubs, die in der Tabelle über uns liegen, sondern auch darunter. In den ersten vier Wochen wurden alte Wände rausgerissen, neue Wände eingezogen, die Profis haben sich heute bereits gewundert. Ich kann eins garantieren: In einem halbem Jahr werden wir Bedingungen geschaffen haben, die dem Anspruch in allen Belangen gerecht werden. Und das wird sich irgendwann in Erfolg auszahlen.

… Stimmung und Atmosphäre:

Säule fünf: Hierbei geht es um Stimmung und Atmosphäre in einer Stadt, in einer Region, für Schalke kann man sagen: für ganz Deutschland. Schalke 04 hat fast 150.000 Mitglieder, Millionen Fans und ist der viertgrößte Verein Europas. Diese unglaubliche Kraft und Energie müssen gebündelt werden. Wenn uns das gelingt, die vielen Meinungen auf einen Weg zu bringen, dann wird es schwer sein, uns zu stoppen. Schalke 04 hatte viele Chancen, hat sie nur zu oft liegengelassen. Wir als Vorstand, als Aufsichtsrat müssen Vorbild sein: für Einigkeit, für Führung. Das wird dazu führen, dass wir alle miteinander ein Wir-Gefühl entwickeln werden. Dieses „typisch Schalke“ muss künftig für etwas anderes stehen, als sich selbst auf den Arm zu nehmen. Wir müssen wieder einen Stolz für diesen großen Verein entwickeln, auf Siege hoffen und keine Niederlagen erwarten, ein neues Schalke-Gefühl entwickeln. Wir werden Rückstände erleben, doch wichtig wird sein, dann nicht alles in Frage zu stellen. Ich kann versichern, dass ich alles dafür tun werde, dass Schalke 04 noch erfolgreicher wird. Ich werde morgens einer der ersten und abends einer der letzten sein, die gehen. Funktionieren kann es nur mit euch. Um diese Unterstützung bitte ich euch.

… Teamwork:

In den Medien habe ich immer wieder vernommen: Da kommt ein starker Mann. Ich will der stärkste sein – aber der stärkste Teamworker. Wir wollen ein starkes Team aufbauen, und ich bin sehr gerne bereit, dieses Team anzuführen. Mir ist völlig fremd, eine Personality-Show abzuleisten. Daher lade ich alle auf Schalke ein, ein Teil dieses Teams zu werden. Wir packen es an: Ich freue mich riesig darauf.

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