Offener Brief von Gerd Rehberg an die Mitglieder

In einem offenen Brief wendet sich Ehrenpräsident Gerd Rehberg an die Mitglieder des FC Schalke 04.

Liebe Mitglieder,

der FC Schalke 04 ist seit vielen Jahrzehnten mein Leben. In all den Jahren, die ich für unseren Verein gearbeitet habe – ob lange Jahre als Vorstandsvorsitzender oder nun als Ehrenpräsident, ging es mir immer darum, ansprechbar zu sein, zu helfen, Lösungen zu finden. Insofern sehe ich mich auch ein wenig als das Gewissen unseres Vereins, als moralische Instanz. Genau darum ist für mich jetzt die Zeit, Ihnen zu sagen, dass ich mir Sorgen mache um den Verein und seine Zukunft.

Ich habe in den neunziger Jahren eine Menge erlebt auf Schalke: Hauptversammlungen, die so unglaublich chaotisch waren, dass sie den Begriff des Chaosclubs in allen Medien nachhaltig geprägt hat. Wir sind jedoch in den vergangenen Jahren auf einem sehr erfolgreichen Weg, haben mit klaren Zielen und daraus resultierenden Entscheidungen Ruhe – auch finanzieller Art – in den Verein gebracht. Ich war der Auffassung, dass wir den Verein stabilisiert hätten, dass die Zeiten, in denen Verantwortliche übereinander herfallen, der Vergangenheit angehören.

Aber im Moment verfolge ich mit wachsender Besorgnis eine Entwicklung in einigen Gremien unseres Vereins, nämlich im Wahlausschuss und im Aufsichtsrat.

Im vergangenen Jahr war ich nicht nur irritiert, sondern kann bis heute nicht nachvollziehen, dass der Wahlausschuss zwei Mitglieder des AR nicht zur Wiederwahl zuließ. Zwei Mitglieder, denen wohl niemand ernsthaft nachsagen kann, sich nicht engagiert und erfolgreich für den Verein eingesetzt zu haben.

In diesem Jahr stehen nun zwei weitere Mitglieder des Aufsichtsrats zur Wiederwahl, die schon viel länger und mit größtem Erfolg für den Verein tätig sind. Nach 22 Jahren Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat – das heißt, nach sieben Wahlen in Folge – muss es meiner Auffassung nach eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich Clemens Tönnies den Mitgliedern am 26. Juni 2016 erneut stellen kann. Peter Lange ist, mit Unterbrechungen, seit 17 Jahren im Aufsichtsrat. Eine Nichtzulassung der beiden wäre gleichbedeutend mit einer Abwahl, ohne dass die Mitglieder ihr eigenes Votum zur Mitgliederversammlung abgeben können.

Als Ehrenpräsident bin ich bei den Sitzungen des Aufsichtsrats anwesend; als stiller Beobachter sehe ich die Folgen der Entscheidung des Wahlausschusses aus dem letzten Jahr sehr deutlich: Persönliche Animositäten von einigen Mitgliedern des Aufsichtsrats haben ein Ausmaß erreicht, in dem Handlungsunfähigkeit erzwungen wird. Abgestimmt wird teilweise nicht mehr nach Gesichtspunkten wie Sinnhaftigkeit oder Vereinswohl, sondern man ist dagegen, nur um dagegen zu sein. Eitelkeiten, Grabenkämpfe und persönliche Abneigungen bestimmen die Sitzungen.
Es geht leider nicht mehr um die Sache und das Wohl des Vereins. Doch genau das sollte bei allen Überlegungen und jeglichem Handeln in den Gremien im Vordergrund stehen!

Nur zur Erinnerung: Installiert wurde der Wahlausschuss in der 1995 formulierten Vereinssatzung übrigens, um Neutralität zu gewähren! In aufgeheizter Atmosphäre konnten damals emotionale Reden und launige Aussprüche nämlich wahlentscheidend sein – mit rationalen Argumenten, Kompetenz und durchdachtem Wohl für den Verein hatte das sehr häufig wenig bis gar nichts zu tun. Da gaben sich diverse Vorsitzende im fliegenden Wechsel die Klinke in die Hand, die Verweildauer von Präsidenten bewegte sich nicht mal mehr im Bereich von Wochen.

Eigeninteressen haben den Verein in den neunziger Jahren an den Rand des Ruins gebracht. Ich wünsche mir von Herzen, dass wir endlich wieder zielgerichtet arbeiten können – mit Sachverstand in den Entscheidungen und zum Wohl des FC Schalke 04.

Gerd Rehberg