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Historie Handball
2016: 90 Jahre Handball beim FC Schalke 04
Erfolgsgeschichte eines Ausgleichssports
Dass die königsblauen Handballer einmal ihr 90-jähriges Bestehen feiern könnten, damit hätten die Gründer der Abteilung wohl nicht gerechnet. Anno 1926 gilt Feldhandball als neue Mode. Etwas, das man mal ausprobiert, von dem aber nicht sicher ist, ob es überhaupt eine Chance hat, sich gegen Fußball oder die zahlreichen Turnvereine durchzusetzen. Anno 2016 ist die Handballabteilung fester Bestandteil des S04.
Das Wissen über die frühen Jahre der Schalker Handballer ist begrenzt. Alle heutigen Erkenntnisse zu den Anfängen stammen aus nur wenigen Quellen, weil die meisten Zeitzeugnisse bei einem Bombenangriff der Alliierten am 6. November 1944 auf Gelsenkirchen für immer zerstört worden sind. Sicher ist: Anwurf ist fast auf den Tag genau 18 Jahre zuvor, am 7. November 1926.
Die königsblauen Leichtathleten geben dem neuen Spiel mit dem Ball zuerst eine Chance. Besonders Abteilungsleiter Fuhse zeigt sich interessiert, ist er doch ohnehin auf der Suche nach einem Ausgleich fernab von Laufen, Springen und Weitwurf, der die Athleten mental entspannen soll. Auch in anderen Gelsenkirchener Stadtteilen wachsen Neugier und Spaß am Handball schnell. Zahlreiche Mannschaften suchen den Wettkampf. Den Schalkern fällt es zu Beginn nicht leicht, ein Team zu bilden. Also halten sie Ausschau im Freundeskreis und finden einige Schwimmer, die ebenfalls nach einem Ausgleichssport suchen und sich der Abteilung unter der Leitung von Fuhse anschließen.
Beim ersten Spiel am 7. November 1926, das damals noch unter freiem Himmel stattfindet, gastieren die Nachbarn von SuS Schalke 96 an der Grenzstraße. Die königsblaue Gründermannschaft spielt in folgender Besetzung: Esser, Neumann, Kostowski, Langenscheid, Beckmann, Corts, Slowinski I, Slowinski II, Gützlaff, Schrader, Jorga (Ersatz: Pieper, Fuhse, Tischka). Vornamen sind nicht bekannt, dafür aber das Endergebnis: 2:2. Viele Tore fallen in den Duellen der frühen Jahre nie. Hauptsächlich, weil Handball damals noch auf Plätzen gespielt wird, die der Größe eines Fußballfelds entsprechen.
Die Abteilung wächst schnell. Kurz nach Aufnahme des Spielbetriebs sind genug Akteure für eine eigene Jugendmannschaft gefunden. Am 30. April 1927 kommt ein Damenteam hinzu, das 13 Jahre Bestand hat. 1928 existieren zwei Männer- und zwei Jungenmannschaften. Der erste Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Bereits 1929 feiern die Männer die Gaumeisterschaft.
Heute ist kaum vorstellbar, welche Strapazen die Sportler in den 1930er-Jahren auf sich nehmen, um zu den Auswärtsspielen zu gelangen. Meist steht ein Lkw bereit, der unter der Woche Knochen zu Mühlen liefert und extra für die Handballer am Wochenende umgebaut wird. Auf dem offenen Wagen installieren Helfer ein Holzgehäuse, das die Akteure vor Wind und Wetter schützen soll. Das Problem: Es existieren lediglich vier kleine Fenster, die nicht geöffnet werden können. So drängen alle Spieler stets nach hinten, um dort wenigstens ein bisschen frische Luft zu atmen.
Die Anstrengungen lassen sich die Akteure auf dem Feld nicht anmerken. 1932/1933 steigen sie in die höchste Spielklasse auf, die Gauliga Westfalen. Die Vereinschronik zum 50. Geburtstag von Königsblau, eine der wenigen Quellen über die frühen Jahre, weiß: „Schalke 04 war ohne Überhebung die beste Mannschaft Westfalens und wurde trotzdem nicht Westfalenmeister.“ Der Grund: dubiose Schiedsrichterentscheidungen bei den Partien gegen die Mannschaften aus der Handballhochburg Hagen.
Das erste Match gegen den späteren Meister DSC Hagen findet zum Beispiel trotz Schalker Proteste und eines Spielplans, der Gelsenkirchen als Austragungsort festsetzt, auswärts statt. Der S04 verliert 5:6. Gegen den VfL Hagen muss er eine rechtskräftige 7:8-Pleite hinnehmen, obwohl die Hagener mit einem nicht spielberechtigten Linksaußen antreten. Auch die dritte Partie gegen Ha gen-Eilpe geht verloren, es sind die einzigen Niederlagen in dieser Saison. Auch die Zweite Mannschaft feiert Erfolge, erringt von 1930 bis 1936 sechs Kreismeisterschaften.
Bis Kriegsbeginn spielt Königsblau in der höchsten Klasse, bis Einberufungen die Abteilung zur Einstellung des Betriebs zwingen. Vom ehemaligen Stamm sind 1946 nur Kurth, Edy Leukel und Paul Schnitzspan übrig. Sie starten bei Null: Bereits nach einem Jahr gelingt der Aufstieg in die Bezirksklasse, 1951 darf sich Schalke Landesligist nennen. In der Zeit gewinnt der Handball viele neue Fans, denn die Abteilung darf ihre Meisterschaftsspiele vor den Partien der Fußballer in der Glückauf-Kampfbahn austragen. Auch Ernst Kuzorra mischt zu dieser Zeit spaßeshalber hin und wieder bei den Handballern mit. 1958, als die Fußballer Meister werden, feiern die Handballer den Oberliga-Aufstieg. In der höchsten Spielklasse halten sie sich bis zum Untergang der Großfeldzeit Ende der 1960er-Jahre.
Die Einführung des Hallenhandballs bedeutet eine weitere Zäsur. Das Spiel ist nun schneller und torreicher. Nicht jeder kommt mit der Umstellung klar. Mit Hilfe des Schalker Gymnasiums baut die Abteilung in den 1970er-Jahren neue Jugendmannschaften auf. Schnell schaffen einige davon den Aufstieg in die Bezirksklasse, dem Ersten Team gelingt der Sprung in die Landesliga, und es stürmt über die Verbandsklasse 1987 in die Oberliga. Was die Abteilung besonders mit Stolz erfüllt: Diese Erfolge gelingen mit Eigengewächsen. Doch die Unerfahrenheit hat den sofortigen Abstieg zur Folge. Und es kommt noch schlimmer.
Ein Jugendtrainer meint es Anfang der 1990er-Jahre nicht ehrlich mit Schalke, lotst zahlreiche Spieler zur Teutonia aus Bochum-Riemke. Für einen Neuanfang fehlt zunächst das Personal. Auch die Erste Mannschaft durchlebt schlechte Zeiten. Bis 1995 hält sie sich in der Verbandsliga, dann steigt sie in die Landesliga ab.
Im Frühjahr 1996 wird Hans-Christian Wichlacz Abteilungsleiter. Seine Mission: der Aufbau der Jugend. Er sucht das Gespräch mit anderen Gelsenkirchener Vereinen, plant Kooperationen, doch das Interesse ist gering. Aufgrund des fehlenden Nachwuchses muss die Erste Mannschaft Spieler aus den benachbarten Vereinen verpflichten. Erstmals in der königsblauen Handballgeschichte werden Aufwandsentschädigungen notwendig. Die Investition lohnt sich: 1998 gelingt der Aufstieg in die Verbandsliga, wo sich der S04 bis zum erneuten Abstieg 2007 behauptet.
Die Jugendspielgemeinschaft mit SuS Schalke 96 bringt den erhofften Schub. Ab 2010 treten die Clubs gemeinsam unter dem Namen HSG Schalke 04/96 an. Das Ergebnis: breite Kader und qualitativ gut ausgebildete Jugendliche. Nach nur fünf Jahren löst sich die Gemeinschaft auf, weil Kooperationspartner SuS den Handballbetrieb ganz einstellt. Seitdem spielen alle Teams für den S04, und zwar sehr erfolgreich. Die Erste und die Zweite Mannschaft steigen im April 2016 am letzten Spieltag in Landes- und Bezirksliga auf und sollen sich auf lange Sicht in höheren Spielklassen etablieren. Die weiteren Teams werden weiterhin breitensportorientiert arbeiten.