Von Paris nach Gelsenkirchen: Julien Herrmann ist erster FSJler beim S04

Die Wurzeln des freiwilligen sozialen Jahrs (FSJ) reichen zurück bis in die 1950er-Jahre. Im November hat der FC Schalke 04 mit Julien Herrmann den ersten FSJler seiner Vereinsgeschichte begrüßen können. Und dessen Verbindung zu Königsblau ist eine Besondere.

Es ist kein Morgen wie jeder andere mehr im Leben des in der Schweiz geborenen 19-Jährigen. Mit einem breiten Lächeln kommt er aus seinem Büro unweit des Schalker Trainingsplatzes und erzählt von seinem alten Traum, den er nun lebt. Beim Spaziergang übers Vereinsgelände erzählt er, dass die Knappen schon immer seine Leidenschaft waren. Obwohl er die ersten 14 Jahre in der Schweiz lebte und nach der Trennung seiner Eltern mit der Mutter nach Paris zog, hatte er immer den Traum, mal auf Schalke zu landen.

Sein Vater brachte ihn in die Spur: „Er hat mich von Kindesbeinen an für den S04 begeistert“, erklärt Julien. „Er kommt zwar nicht aus Gelsenkirchen, sondern aus Mannheim, aber er hat sich schon in Schalke verliebt, als hier Legenden wie Klaus Fischer aktiv waren.“ Und so hat der Verein Julien stets begleitet. Sky und DAZN waren in Paris allerdings nicht abrufbar. Um jedes Duell zu empfangen, musste ein anderes Sport-Abo her. Das hat ihn viel Kohle gekostet und auch einiges an Stress: „Es war schwer für mich, die Emotionalität wegzustecken. Meine Mutter hat nicht verstanden, warum das ganze Wochenende im Eimer war, wenn Schalke verloren hat. Umgekehrt war es nach drei Punkten das Paradies. Dann war die Laune perfekt“, beschreibt er die Gefühlswelt eines jeden Schalkers.

In die VELTINS-Arena hatte er es vor seinem Engagement für Königsblau nur einmal geschafft – und trotz der 0:5-Klatsche, die er 2020 gegen RB Leipzig miterleben musste, schweißte ihn dieses Ereignis noch näher an den Club: „Meine Liebe hat sich dadurch vergrößert, weil ich nach jedem Gegentor gesehen habe, wie die Nordkurve lauter und lauter wurde. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass so etwas möglich ist. Diese Stimmung selbst zu erleben, war einzigartig.“

Ich habe mich direkt beworben und gehofft, dass es klappt. Es war auch das einzige FSJ, für das ich es versucht habe.

Julien Herrmann

Aber wie wurde Julien dann FSJler auf Schalke? In der Schule hatte er seine Faszination für Sport entdeckt, probierte viele Disziplinen aus und entschied sich am Ende für Rugby. Kurz vor dem Abitur zog er sich dabei einen Kreuzbandriss zu, so war sein Traum vom Studium an der Deutschen Sporthochschule in Köln erst einmal geplatzt. Nachdem der heute 19-Jährige sein Abitur an einer Deutsch-Französischen Schule in Paris abgeschlossen hatte, sah er das Angebot eines FSJ auf Schalke – die Chance, sich seinen Traum zu erfüllen: „Ich habe mich direkt beworben und gehofft, dass es klappt. Es war auch das einzige FSJ, für das ich es versucht habe.“ Der Prozess zog sich, sodass er die Hoffnung schon verloren hatte. „Dass es dann doch geklappt hat, ist verrückt.“

Und somit geht er als erster FSJler in die Geschichtsbücher des FC Schalke 04 ein. „Wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, ist es noch einmal etwas Besonderes. Überhaupt jetzt auf Schalke zu sein, war für mich so realitätsfern.“ In seinem Freiwilligendienst ist er nun ein wenig Mann für alles. Zu 70 Prozent packt er in den Sportabteilungen mit an: Fußball, Tischtennis, Basketball, Handball. In der Abteilung Fans und Nachhaltigkeit erledigt er die restliche Büroarbeit: „Auch das liebe ich, zumal sich von dort eine einzigartige Sicht über das Schalker Gelände bietet.“ Die VELTINS-Arena hat er inzwischen öfter von innen erlebt: Dort überkomme ihn jedes Mal eine Gänsehaut, egal, ob mit Publikum oder ohne: „Ich spüre einfach Liebe, Leidenschaft und Tradition. Dort ist schon so viel passiert. Ich erinnere mich, als ich in Paris sah, wie Rodrigo Zalazar das 3:2 gegen St. Pauli geschossen hat. Ich habe mich tierisch gefreut und angefangen zu weinen.“

Julien Herrmann

Nach der damaligen Zusage packte Julien unverzüglich seine Sachen und fand auch schnell eine Unterkunft in der Gelsenkirchener Altstadt. Zwar sei es hier nicht so groß und voller Möglichkeiten wie in der französischen Hauptstadt, trotzdem fühle er sich rundum wohl: „Die Altstadt erinnert mich wiederum an Paris, von der Multikulturalität her, aber auch vom Stadtbild. Für mich passt alles.“ Wenn seine Zeit auf Schalke im kommenden Juli endet, möchte Julien Herrmann sich dann aber seinen Traum vom Studium an der Sporthochschule in Köln erfüllen. Nach einem hoffentlich erfolgreich verlaufenden Eignungstest soll es im Wintersemester 2024 losgehen. Später möchte er möglichst in den Bereich Physiotherapie gehen, und gerne auch zurück zu Schalke: „Je länger ich hier arbeite, umso mehr kommt dieser Gedanke. Es fließt so viel Liebe und Emotionalität in diesen Verein, allein von mir. Und wenn ich dann daran denke, dass 180.000 Mitglieder ebenso fühlen – Wahnsinn!“

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