Einblicke ins Athletik-Training während der Corona-Pause

Die Bundesliga pausiert, die Spieler keineswegs: Aufgrund der andauernden Corona-Pandemie absolvierte die Lizenzspielermannschaft der Königsblauen zuletzt Übungen nach individuell erstellten Trainingsplänen aus dem Home-Office. Dr. Andreas Schlumberger, Leiter Fitness und Prävention des FC Schalke 04, gibt im Interview mit schalke04.de Einblicke in seine Arbeit der vergangenen Wochen.

Dr. Andreas Schlumberger

Andreas, das Athletik-Trainerteam hat vor Beginn des Home-Office einen Laktattest bei den Spielern durchgeführt und daraufhin individuelle Trainingspläne erstellt. Was beinhalteten diese Pläne?
Wir wollten uns mit dem Laktattest einen aktuellen Überblick über das körperliche Leistungsvermögen unserer Spieler verschaffen, aus dem wir gezielte Trainingsvorgaben entwickeln konnten. Für die Spieler haben wir eine Kombination aus Laufübungen mit individuellen Intensitäten sowie ein Kraftprogramm entwickelt. Je länger diese Art des Trainings andauert, desto stärker berücksichtigen wir dabei, ob es sich um Spieler handelt, die zuvor viel oder weniger gespielt haben oder ob es Spieler sind, die aus einer Verletzung kommen und dementsprechend individueller gesteuert werden müssen.

Jeder Spieler hat eine Pulsuhr mitbekommen. Nach den Übungen müssen sie die Werte in einer App hochladen, sodass der Trainerstab direkt Zugriff darauf hat. Wie häufig wurde der Trainingsplan aufgrund der übermittelten Werte angepasst?
Wir können durch die Software jederzeit sehen, wie ein Spieler bei seiner Übungseinheit trainiert hat und überprüfen im Nachhinein, ob das, was unsere Zielvorgabe an die Spieler gewesen ist, auch eingehalten wurde. Man darf dabei gewisse Faktoren nicht außer Acht lassen: Hat der Spieler womöglich in der Nacht zuvor schlecht geschlafen oder tagsüber zu wenig getrunken? All das beeinflusst z.B. die Herzfrequenzwerte. Wir haben eine Mannschaft, die auch an diese Sache mit einer großen Mentalität herangeht. Es gibt bei uns keinerlei Zweifel daran, dass die Spieler unsere Vorgaben umsetzen. Uns geht es eher darum, ob die Trainingsvorgabe für den jeweiligen Spieler ideal war oder ob diese gegebenenfalls noch mal angepasst werden muss. Wir im Athletik-Team nehmen dann die entsprechenden Korrekturen vor.

Wir haben eine Mannschaft, die auch an diese Sache mit einer großen Mentalität herangeht.

Dr. Andreas Schlumberger

In welchem körperlichen Zustand befindet sich die Mannschaft?
In einer sehr guten Verfassung für den aktuellen Zeitpunkt, zumal die Unterbrechung inmitten der Saison ist, wodurch die Spieler gut belastbar sind. Das unterscheidet sich zu einer Vorbereitung in der Sommerpause, in der sich Spieler erst wieder an Belastung gewöhnen müssen. Wir schauen, dass wir Stück für Stück in den richtigen körperlichen Trainingsrhythmus kommen. Der nächste Schritt, wieder spielbereit zu sein, kommt danach. Dadurch, dass die Spieler fit und belastbar sind, können wir das Training sehr umfassend und mit einer gewissen Intensität durchführen. In einer normalen Bundesligawoche müssen wir stets die kommende Partie im Blick haben und die Belastung zum Ende der Woche zurückfahren, damit die Spieler genügend Frische und Explosivität für das Spiel am Wochenende haben. Somit haben wir aktuell den Vorteil, die Trainingswoche mit voller Belastung zu beenden, bevor die Spieler wieder etwas durchschnaufen können.

Wie sieht die Aufteilung zwischen dir und den Athletik-Trainern Klaus Luisser und Bob Schoos aktuell aus?
Wir planen und besprechen die Trainingsinhalte gemeinsam. Zudem sind wir stetig in Rücksprache mit der medizinischen Abteilung. Wenn ein Spieler beispielsweise aktuell kleinere Beschwerden hat, greifen wir in das Programm ein und passen es dementsprechend an – das geschieht im regulären Trainingsprozess auch so.

Vor einigen Wochen habt ihr das Cyber-Training eingeführt. Worum ging es euch bei dieser Maßnahme?
Für uns ist solch eine Situation wie derzeit mit einem Heimprogramm nicht ungewohnt, da wir diese auch in jeder Sommer- oder Winterpause haben. Der Unterschied ist aktuell, dass wir anfangs nicht absehen konnten, wann wir uns alle wiedersehen werden. Es wurde uns bewusst, dass wir eine Form finden müssen, die in Richtung eines gewohnten Trainingsalltags geht: mit gemeinsamen Übungen, Kontakt untereinander, damit wir als Mannschaftssportler interagieren können, wie es auch David Wagner zuvor betont hatte.

David Wagner und Dr. Andreas Schlumberger

Und auch zur Kontrolle der Übungen?
Es ist wichtig, die Möglichkeit zu haben, zumindest aus der Entfernung bei Übungen zu korrigieren. Wir machen beim Cyber-Training die Übungen vor – auch mittels eines Spielers, den wir sozusagen als „Model“ einsetzen – und können dann auf dem Bildschirm sehen, wie die Jungs die Übungen ausführen. Am Spieler, der sich vor Ort befindet, erklären wir diese und nehmen gegebenenfalls Korrekturen vor.

Werden die Trainingsinhalte auch mit dem Trainerteam besprochen?
Sobald es sich um die rein athletischen Trainingsinhalte handelt, genießen wir das volle Vertrauen des Trainerteams. Natürlich sind zu jeder Zeit Chef-Trainer und Trainerteam über sämtliche Planungen informiert.

Wir genießen das volle Vertrauen des Trainerteams.

Dr. Andreas Schlumberger

Gibt es einen Ernährungsplan, an den sich die Spieler halten sollen?
Wir bieten den Spielern im Verein grundsätzlich bezüglich Ernährung und Nahrungsergänzung alle Optionen. Insofern geht die individuelle Beratung der Spieler weiter, so als wären wir in den normalen Abläufen. Wir haben für diese Phase nochmals zusätzliche spezielle Ernährungshinweise gegeben, da es einen Unterschied macht, ob man sich fast hauptsächlich zu Hause aufhält und sich selbst vermehrt um Ernährung kümmern muss, oder ob man täglich beim Verein eine sehr gute Ernährungsauswahl mit der entsprechenden Qualität bekommt.

Zu dieser Saison und auch im Anschluss haben wir im „Team hinter dem Team“ aufgestockt und viel Expertise dazugewinnen können. Hilft das in der aktuellen Situation?
Ja, auf jeden Fall. Es ist eine perfekte Grundlage in den Abläufen, den Strukturen und den Inhalten da – diese ist durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Spezialisten stets auf einem sehr hohen Niveau. Natürlich wird der Gradmesser sein, wie wir in den hoffentlich bald wieder stattfindenden Bundesligaspielen abschneiden werden.

Im Mai soll in der Bundesliga wieder gespielt werden, noch ist das aber nicht gesichert. Vor welche Herausforderungen stellt euch diese Ungewissheit?
Für uns ist das bislang kein limitierender Faktor. Die zwei Wochen Heimprogramm und Cybertraining konnten wir sehr vernünftig mit individuellen Trainingsschwerpunkten füllen. Jetzt sind wir mittlerweile im intensiveren Belastungsbereich und tasten uns Stück für Stück an das heran, was die Spieler in einer normalen Bundesliga-Woche umsetzen können müssen. Davon sind wir, zumindest körperlich, nicht mehr weit entfernt.