Ans andere Ende der Welt

Bislang war das Wetter U23-Verteidiger George Timotheou wohlgesonnen: Ein Klimaschock ist dem sonnenverwöhnten Australier in seinen ersten Monaten somit erspart geblieben. Das passt, denn sein Weg zur königsblauen U23 schien ohnehin vom Glück gepflastert.

„Ich habe die guten Bedingungen wohl mitgebracht“, erzählt George Timotheou mit einem Schmunzeln. Widerlegen lässt sich das erst mal nicht. Seit drei Monaten ist der 21-Jährige in Deutschland, und das Wetter hat ebenso überzeugt wie der Kaderimport der Oberliga-Formation. Dabei ist es ein recht großer wie ungewöhnlicher Schritt, die eigene Heimat, ja sogar einen Kontinent zu verlassen, um in einer Zweitmannschaft in Deutschland Fußball zu spielen. Nicht für George Timotheou: „Ich habe immer davon geträumt, in Europa aufzulaufen“, erklärt der Verteidiger. „Deshalb habe ich mit meinem Individual-Trainer Kerim Baba lange auf diese Chance hingearbeitet.“

Mit drei Jahren nahm Timotheou erstmals Ballkontakt auf, und das denkbar schlecht. Bis heute muss er sich die Geschichte anhören, in seinem allerersten Spiel als Knirps ein Eigentor fabriziert zu haben. „Nicht die schönste Erinnerung“, meint Timotheou und lacht, „aber eine starke, denn danach wollte ich nur noch Fußball spielen.“ Als irgendwann die Auswahlteams und die U-Nationalmannschaft vorstellig wurden, war klar: Es könnte für mehr reichen. „Und da bin ich diesem Spiel immer mehr verfallen.“ Doch gab es auch schattige Tage, denn die Chance auf den Durchbruch blieb ihm trotz Berufung in den Profikader des australischen Erstligisten Sydney FC verwehrt. „Für einen jungen Spieler stellt das eine große Herausforderung dar – weniger körperlich als mental“, betont der 21-Jährige. „Man fragt sich immer wieder, ob man an der richtigen Stelle und beim richtigen Club gelandet ist.“

Abseits des Feldes verharren zu müssen, löste im Linksfuß eine „Jetzt erst recht“-Mentalität aus – Extraschichten wurden Normalität. „Ich wollte immer etwas tun“, erinnert er sich. „Und wenn ich zu Hause nur einen Ball gegen die Hauswand geschossen habe.“ Doch nach dem harten Premierenjahr war Timotheou überzeugt, für Spielzeit einen anderen Verein zu benötigen. Er blieb in der Stadt, aber rutschte eine Liga tiefer zu Sydney Olympic. Sicherheit und Selbstvertrauen wuchsen, die Frequenz der Sonderschichten aber blieb hoch. „An manchen Tagen konnte ich mich kaum noch bewegen.“ Es sollte sich auszahlen.

Nicht nur sein persönlicher Trainer Kerim Baba, auch Olympic-Präsident Bill Papas erkannten das Potenzial – und beide pflegen gute Kontakte. Baba als ehemaliger Akteur von Wattenscheid 09 und VfL Bochum, Papas als CEO des königsblauen Sponsors ORCA. Dass sich aus dieser Konstellation eine Tür öffnen würde, die den Innenverteidiger zu einem der größten Clubs in Europa bringen würde, konnten das Talent und seine Familie anfangs kaum fassen. „Aber ich musste gar nicht groß darüber nachdenken, weil es so schnell Realität wurde“, sagt Timotheou. Seine Familie hat ihn während aller Aufs und Abs unterstützt, wofür er unfassbar dankbar sei. Freundin Amanda ist ihm sogar ans andere Ende der Welt gefolgt. „Es ist schön, sie jetzt hier bei mir zu haben, denn viel Kontakt war durch den Zeitunterschied vorher nicht möglich.“

Und dann steht man mit ihnen auf demselben Platz und ist so nah dran.

George Timotheou

Englischkenntnisse seiner Teamkollegen und der Deutschunterricht haben die Integration in die U23 beschleunigt. Und als der Australier vor wenigen Wochen für ein paar Profieinheiten unter Domenico Tedesco mitmischen durfte, offenbarten sich dem Abwehrmann ganz neue Erkenntnisse: „Man sieht all diese Spieler bei der WM oder in der Champions League und fühlt sich so weit entfernt. Und dann steht man mit ihnen auf demselben Platz und ist so nah dran“, erzählt er voller Stolz. „Das versetzt einem noch einen Extraschub Motivation, selbst wenn man den eigentlich gar nicht nötig hätte.“

Neue Eindrücke, neue Zeitzone, nur George Timotheous Ambitionen sind unverändert geblieben: „Ich will jeden Tag weiter lernen, so viel wie möglich spielen“, sagt das Talent, das seine große Stärke in der Passsicherheit sieht. Und das Mannschaftsziel? „In meinem ersten Jahr hier aufzusteigen, wäre natürlich klasse“, ergänzt er. Eins aber steht für ihn fest: Wenn es weiter so rundläuft, kann die Kälte kommen.

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