Norbert Elgert: An der Playstation ist noch niemand ein besserer Fußballer geworden

Norbert Elgert ist eine Institution auf Schalke. Erst stürmt er für Königsblau in der Bundesliga, prägt dann eine äußerst erfolgreiche Ära als U19-Chef-Trainer – und kann sich heute zudem Bestsellerautor nennen.

Das Interview (Schalker Kreisel) mit Norbert Elgert wurde bereits vor wenigen Wochen geführt. Daher sind die Dynamik des sich ausbreitenden Virus und die damit einhergehenden Einschränkungen keine Themen während des Gesprächs gewesen.

Norbert Elgert, mit der Wiedereröffnung des Parkstadions blickt der FC Schalke 04 einem Meilenstein entgegen: Künftig werden alle Nachwuchsteams auf dem Vereinsgelände spielen. Was löst das in Ihnen aus?
„Auf Schalke“ spielen: Diesen Begriff nun mit Leben zu füllen, ist großartig für den Verein. Als Mannschaft macht es uns nicht besser, ist aber für alle Beteiligten die Ideallösung. Ich schaue dabei aber auch mit großer Dankbarkeit zurück. Als ich vor 24 Jahren U19-Trainer wurde, war die Glückauf-Kampfbahn unser Zuhause, ehe wir über viele Jahre auf andere Plätze ausweichen mussten. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir die Plätze zur Verfügung gestellt bekommen haben – und darüber hinaus waren wir dort auch noch sehr erfolgreich. Nun beginnt ein neues Kapitel.

Was bedeutet die Bündelung auf dem Trainingsgelände für die Nachwuchsarbeit?
Das Gelände kann wie ein Magnet wirken und uns dabei helfen, Spieler von Schalke zu überzeugen. Wir präsentieren ihnen ein Umfeld, in dem sie im Schatten der VELTINS-Arena reifen und wachsen können. Als Spieler blickst du auf das Stadion, in dem du irgendwann selbst spielen möchtest. Das ist emotional sehr bedeutsam für den Nachwuchs und eine zusätzliche Motivation.

Also wertet das Gelände auch die Knappenschmiede auf.
Absolut! Auf dem Berger Feld im alten Parkstadion spielen zu können, ist ein weiteres wichtiges Mosaik auf dem Weg in die Zukunft für unseren Club.

Immer wieder fällt die Aussage, dass Deutschland die Talente ausgehen würden. Sehen Sie das auch so?
Aus königsblauer Sicht kann ich das absolut nicht unterschreiben, denn die vergangenen Jahre waren nach wie vor richtig gut. Spieler wie Thilo Kehrer, Max Meyer, Julian Draxler, Sead Kolasinac, Leroy Sane, Weston McKennie, Ahmed Kutucu, Nassim Boujellab und Levent Mercan sind zu Profis geworden und widerlegen diese Aussage zumindest bezogen auf Schalke. Aber eins stimmt sicherlich: Der deutsche Nachwuchs gehört aktuell nicht zur absoluten Weltspitze. Das liegt aber bestimmt nicht am königsblauen Beitrag.

Was müsste sich ändern, damit wieder stärkere Jahrgänge folgen?
Das lässt sich nicht in drei Sätzen diagnostizieren. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Unter anderem hat jedes Land unterschiedlich starke Jahrgänge. Noch immer träumen viele Kinder davon Profifußballer zu werden. Es ist aber erwiesen, dass du dafür mindestens zehn Jahre und rund 10.000 Stunden intensives und intelligentes Training investieren musst, um diesen Traum vielleicht auch möglich zu machen. Bei all den Veränderungen und Ablenkungen in unserer Gesellschaft erreichen die meisten in Kindheit und Jugend diese ca. 10.000 Stunden nicht mehr. Auch ist es nicht leicht, hungrig im Paradies zu sein und zu bleiben.

Welche Veränderungen meinen Sie genau?
Vernünftigerweise sollte der Fokus neben dem Sport auch auf der schulischen Ausbildung liegen. Doch immer mehr Dinge fordern Zeit ein, etwa das Internet und Social Media. Den digitalen Neuerungen darf man sich nicht verschließen, aber eins ist klar: An der Playstation und im Internet ist noch niemand ein besserer Fußballer geworden. Es kommt noch immer auf die Beherrschung des Spielgeräts und das Spielverständnis an. Beides entwickelt sich nur durch Training, Training, Training und noch mehr Training.

Was benötigt ein talentierter Spieler auf dem Weg zum Profi?
Das Talent ist natürlich die Grundvoraussetzung. Es öffnet einem allerdings nur die Tür, durch die man mit der richtigen Einstellung, Einsatz, Anstrengungsbereitschaft und Durchhaltevermögen hindurchschreiten muss. Du brauchst auch ein Talent dafür, dein Talent zu nutzen. Ganz wichtig sind auch Athletik und mentale Stärke. Mentale Stärke bedeutet für mich, dann gut zu sein, wenn es darauf ankommt. Und wenn du an Tag X in die Arena einläufst, dann kommt es verdammt noch mal drauf an!

Sie haben ihre bewegenden 24 Jahre auf Schalke bereits angesprochen. In welchen Punkten hat sich Ihre Arbeit während dieser Zeit verändert?
Die Professionalisierung ist stark vorangeschritten. Zu Beginn hatte die A-Jugend drei oder vier Einheiten in der Woche, heute kommen wir in der Spitze auf sieben. Die Teams abseits des Platzes sind auch deutlich gewachsen, wir verfügen nun über Spezialtrainer, Psychologen, Physiotherapeuten und zwei Betreuer. Und durch die Digitalisierung haben wir die Chance, viel intensiver zu analysieren. Das hilft uns sehr, birgt aber auch die Gefahr, in einem Wust an Daten zu ertrinken. Deshalb kommt es drauf an, diese richtig zu selektieren und daraus sinnvolle Zusammenhänge herzustellen.

Und für die Spieler selbst?
Auch sie sind in der heutigen Zeit deutlich mehr Einflüssen ausgesetzt. Ganz viele Menschen außerhalb des Vereins wollen etwas von ihnen. So gut wie jeder hat heutzutage einen Berater und Personal Trainer, die natürlich alle mitreden und Einfluss nehmen wollen. Das erleichtert uns Trainern die Arbeit und Trainingssteuerung definitiv nicht.

Was hat sich in all den Jahren nicht verändert?
In erster Linie mein täglicher Weg zum Training (lacht). Der Mensch steht bei allen Neuerungen immer noch im Mittelpunkt – und das muss auch so bleiben. Das Spiel und der Ball als zentrales Element sind weiterhin existenziell. Es hat sich viel bewegt, aber das Spielfeld ist immer noch so groß wie vor 20 Jahren.

Eine solche Vereinstreue ist selten geworden. Was hält Sie bei den Königsblauen?
Als Kind bin ich in Gelsenkirchen-Ückendorf aufgewachsen und war von Beginn an durch die Stadt und meine Familie mit Schalke eng verbunden. Das wurde natürlich nicht schwächer, als ich mit 18 meine ersten Profispiele hier absolviert habe. Ich bin in meine Aufgabe hineingewachsen, der Club wurde zu mehr als bloßem Fußball oder einem Beruf für mich. In meiner Tätigkeit als Ausbilder sehe ich für mich den meisten Sinn, denn es ist einfach schön, junge Menschen zu formen; ihnen einerseits bei der Verwirklichung ihrer Träume zu helfen und andererseits die nötigen Werte mitzugeben. Der Prozentsatz späterer Profis ist gering, deshalb ist es umso wichtiger, auch für andere Wege viel mitzugeben. Und zwei weitere wesentliche Faktoren waren und sind: Clemens Tönnies, der mich zum Bleiben bewegt hat, als ich mir vor einigen Jahren Gedanken über eine Luftveränderung gemacht habe. Dazu habe ich eine enge Bindung und Verbindung zu den Fans – vielleicht auch, weil ich selbst S04-Fan bin.

Also hat Norbert Elgert tiefe Wurzeln geschlagen …
Ja schon. Ich bin gebürtiger Gelsenkirchener und Schalker durch und durch, sehe mich aber auch als Kosmopolit und extrem weltoffen.

Wenn Sie in sich hineinhören: Haben Sie sich mit den Jahren verändert?
Jein. Einerseits kann ich das bejahen, weil ich stagniert wäre, wenn ich mich in dieser Zeit nicht persönlich weiterentwickelt hätte. Meine Kernwerte sind aber immer noch die gleichen: Bodenständigkeit, Toleranz, Respekt, Demut und Dankbarkeit.

Über 50 Jahre prägt Fußball Ihr Leben. Welche Momente waren für Sie am eindringlichsten?
Genau genommen sind es nun 59 Jahre, eine wirklich lange Zeit (schmunzelt). Sportlich sind natürlich die drei Deutschen Meisterschaften und zwei DFB-Pokalsiege unvergessen. Auch die Berufung zum „Trainer des Jahres“ durch den DFB oder in die Ehrenkabine durch Schalkes Fans haben mich sehr berührt. Doch auch zwei negative Erlebnisse haben ihre Spuren hinterlassen: Meine Nierenerkrankung 1975 und die Entlassung 2003. Die Ärzte trauten mir damals ein Comeback nach der Operation nicht zu, aber meine Frau, Gottes Hilfe und viel Training haben mir gezeigt, was alles möglich ist. Das wirkt bis heute nach. Als ich als Co-Trainer gemeinsam mit Frank Neubarth bei den Profis entlassen wurde, hat das schon extrem wehgetan. Aber: Rückschläge und Misserfolge gehören im Leben einfach dazu und machen dich stärker.

Vor allem das vergangene Jahr scheint für Sie sehr intensiv gewesen zu sein. Neben sportlichen Herausforderungen mit ihrer Mannschaft haben Sie ein Buch veröffentlicht. Wie hat sich der Spagat zwischen Trainer und Schriftsteller angefühlt?
Im Rückspiegel betrachtet war es ein schönes Jahr, weil wir Westdeutscher Meister geworden sind und auch das Buch ein Erfolg geworden ist. Aber das weiß man ja im Vorfeld nicht. Auf dem Weg dorthin hat die Doppelbelastung viel Kraft und Energie gekostet, denn in erster Linie durften mein Job und mein Team auf Schalke nicht zu kurz kommen. Ich habe also neben den Trainingseinheiten täglich mehrere Stunden am Buch gearbeitet. Das ging so weit, dass ich meinen Urlaub mit meiner Frau Conny auf Fuerteventura beinahe komplett auf dem Zimmer am Laptop verbracht habe. Ein wenig Sonne konnten wir trotzdem genießen, es war aber hochanstrengend und intensiv, Freizeit existierte kaum.

Ihr Buch ist sehr gut angekommen – wie fühlt sich das an?
Dass wir es zum Spiegel-Bestseller geschafft haben, macht uns schon sehr stolz. Die Reaktionen sind einfach toll. Fans aus der ganzen Welt melden sich, um sich mit mir über Fußball und das Buch auszutauschen. Und das Buchcover im Handel als Empfehlung für positive Lebensführung wiederzufinden, gibt einem schon ein gutes Gefühl.

Sie pflegen gute Kontakte zu ehemaligen Schützlingen. Fällt Ihnen das angesichts der vielen Herausforderungen für die neuen Generationen leicht?
Ja, denn wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Man muss sicher nicht alles Neue mitmachen oder gut finden. Wichtig ist ganz einfach, dass die Jungs spüren, dass du sie verstehst, sie magst und sie dir vertrauen können. Dabei spielt das Alter keine Rolle. Was mein Alter betrifft habe ich ja zwei Möglichkeiten. Entweder 63 Jahre alt oder 63 Jahre jung zu sein. Ich habe mich für 63 Jahre jung entschieden.

Buchtipp

Auf 288 Seiten gibt Norbert Elgert in seinem Werk „Gib alles – nur nie auf!“ besondere Einblicke in seine Lebensgeschichte und die Arbeit auf dem Platz. Ein Muss für jeden Schalke-Fan!

 

Der Weg zum digitalen Kreisel

Voraussetzungen sind die S04-Mitgliedschaft sowie die kurze Anmeldung auf: store.schalke04.de

Der schnellste Weg führt dann über die Schalke 04 App und den Navigationspunkt „Schalker Kreisel“, wo Königsblaue eine kurze Beschreibung sowie die Links zu den Stores (App Store, Google Play Store) finden. Dort kann die App direkt aufs Smartphone oder Tablet heruntergeladen werden.

Der Login erfolgt mit Benutzernamen und Passwort. Beim Benutzernamen handelt es sich in der Regel um die E-Mail-Adresse, also dieselben Zugangsdaten, die auch für den Login auf store.schalke04.de verwendet werden. Sollte das Passwort nicht mehr auffindbar sein, hilft die Funktion „Passwort vergessen“, um sich ein neues zuzulegen.

Alternativ zur Schalke App können Fans die Schalker Kreisel App direkt im jeweiligen App Store ansteuern – einfach in der Suche „Schalker Kreisel“ eingeben.

Schalker Kreisel App

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