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Meister
Blau-Weiß Schalke 24. So hätte der Verein auch heißen können. Aber als die Fußballer des TuS Schalke 1877 am 5. Januar 1924 zusammenkommen, entscheiden sie sich am Ende für den Namen: FC Schalke 04. Sie wollen zeigen, dass es sie schon lange gibt – 04 für das Gründungsjahr ist ein Muss. Erster Vorsitzender des neuen Vereins wird Fritz Unkel, Materialvorsteher der Zeche Consolidation. Einst war er erster Mann beim Turnverein. Doch seine Leidenschaft für den Fußball überwiegt.
Sportlich schreiten die Schalker mit großen Schritten voran: 1926 gelingt der Sprung in die Erste Liga, die sogenannte 1. Ruhrbezirksklasse. Die Premiere glückt. Am Ende der ersten Erstligasaison erringen die Königsblauen ihren ersten Titel: Sie werden Ruhrbezirksmeister und Westdeutscher Vizemeister. Damit sind sie erstmals für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifiziert.
Der Erfolg ist zum einen auf Heinz Ludewig zurückzuführen, erster eigens engagierter Fußballlehrer der Knappen-Elf. Zum anderen ragen Fritz Szepan und Ernst Kuzorra als die Leistungsträger der Mannschaft heraus. Die beiden gebürtigen Schalker und späteren Schwager perfektionieren das schnelle Kurzpassspiel. Der legendäre Schalker Kreisel beginnt, Fahrt aufzunehmen.
Ludewig, Szepan und Kuzorra
Mit den Erfolgen kommen die Zuschauer, und es werden immer mehr: 22.000 kommen gegen Köln, 24.000 gegen Bielefeld, 42.000 gegen den Duisburger Spielverein. Der Platz an der Grenzstraße, den sich die Fußballer nach wie vor mit den Turnern teilen, platzt aus allen Nähten. Vereinspräsident Fritz Unkel ruft im Sommer 1927 die Mitglieder zusammen: „Wie bauen ein eigenes Stadion“. Es ist ein wagemutiges Unternehmen in wirtschaftlich schweren Zeiten. Doch die Zeche Consol stellt den Baugrund zur Verfügung, und die Stadt Gelsenkirchen greift dem Verein mit großzügigen Krediten unter die Arme. Als Dank benennt sich der Club in FC Gelsenkirchen-Schalke 04 um. Nach einjähriger Bauzeit eröffnen die Knappen im Spätsommer 1928 ihre „Glückauf-Kampfbahn“.
Das neue Stadion scheint die Knappen weiter zu beflügeln: 1929 erringt der S04 erstmals die Westdeutsche Meisterschaft und schafft es im Kampf um die Deutsche Meisterschaft ins Viertelfinale. Im Jahr drauf verteidigen sie den Titel. Doch kurze Zeit später der Skandal: Im August 1930 sperrt der Westdeutsche Spielverband 14 Stammspieler für ein Jahr, weil der Verein ihnen zu hohe Handgelder gezahlt hat. Das verstößt gegen das Amateurideal. Gleiches Vergehen lastet der Verband auch anderen Vereinen an, doch die drastischen Strafen für die Schalker sollen wohl abschreckende Wirkung erzielen. Schalkes Finanzobmann Willi Nier begeht aus Verzweiflung Selbstmord. Die Reserve-Elf kann den Abstieg in die Zweite Liga gerade eben verhindern.
Als die rehabilitierte Elf im Juni 1931 zum ersten Freundschaftsspiel nach der Sperre antritt, brechen alle Zuschauerrekorde. Bis zu 70.000 Zuschauer strömen am 1. Juni zur Partie gegen Fortuna Düsseldorf in die Glückauf-Kampfbahn. In der kommenden Spielzeit schließen die Knappen wieder an die alten Erfolge an. 1932 werden sie Westdeutscher Meister und schaffen es erstmals ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft. Ein Jahr später startet der FC Schalke 04 endgültig seinen sportlichen Höhenflug: Von 1933 bis 1944 gewinnt der Club elf Mal in Folge die Westfalenmeisterschaft – teilweise derart überlegen, dass der Abstand zum Zweitplatzierten mehr als zehn Punkte beträgt. Das bedeutet jedes Mal die Qualifikation für die Endrunde der Deutschen Meisterschaft. Mit Ausnahme von 1936, als im Halbfinale Schluss ist, erreicht der FC Schalke 04 zwischen 1933 und 1942 jedes Mal das Meisterschaftsfinale. Sechs der neun Endspiele gewinnt Königsblau: 1934, 1935, 1937, 1939, 1940 und 1942 bringen die Knappen die Viktoria, die Trophäe des Deutschen Meisters, an den Schalker Markt. Auch im 1935 neu eingeführten Deutschen Pokal können die Schalker punkten: Sie erreichen fünf Endspiele und sichern sich 1937 mit dem Pokalgewinn das erste „Double“ im deutschen Fußball.
Die Gründe für die Dominanz sind vielfältig: Der Schalker Kreisel stellt in Deutschland einen überlegenen Spielstil dar, und die, die ihn beherrschen, bleiben über viele Jahre als Mannschaft vereint: Ernst Kuzorra, Fritz Szepan, Otto Tibulsky, Adolf Urban, Ernst Kalwitzki, Hans Bornemann, Otto Schweisfurth, Hans Klodt, Rudi Gellesch, Ernst Poertgen, Walter Berg und Herrmann Eppenhoff. Hans „Bumbas“ Schmidt, Trainer von 1933 bis 1938, versteht es, die hervorragenden Einzelkönner zu einem meisterhaften Team zusammenzuschweißen.
Schalke 04 - ein Nazi-Verein?
Widerstand gegenüber der nationalsozialistischen Diktatur sucht man beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), den anderen „bürgerlichen“ Sportverbänden und ihren Vereinen zumeist vergeblich. Die meisten Vereine passen sich freiwillig an, lassen sich „gleichschalten“, „säubern“ ihre Vereine von unliebsam gewordenen jüdischen Mitgliedern, bis die Klubs am Ende nach drei Einheitssatzungen als Teil des Nationalsozialistischen Reichsbunds für Leibesübungen zugleich Teil der NS-Parteiorganisation geworden sind. Der FC Schalke 04 bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Im Juni 1933 übernimmt Schalke die einen Monat zuvor beschlossenen Anweisungen des WSV. Es gibt nun keinen Vorstand mehr, sondern einen Vereinsführer. Dieser wird der Ehrenvorsitzende Unkel, sein Stellvertreter ist Heinrich Tschenscher, NSDAP-Mitglied seit dem 1. Mai 1933. Der bisherige Zweite Vorsitzende, der jüdische Zahnarzt Dr. Paul Eichengrün, war schon im April freiwillig zurückgetreten. In den folgenden Jahren verlassen weitere jüdische Mitglieder den Verein. Der FC Schalke 04 passt mit seinem Image als „Arbeiterverein“ perfekt in die NS-Ideologie. Aufgrund der Erfolge ergeben sich zahlreiche Instrumentalisierungsmöglichkeiten durch das Regime, dem sich der Verein auch nicht entzieht bzw. entziehen kann. Das macht ihn aber nicht zu einem „Nazi-Verein“, sondern nur zu einem besonders prominenten Beispiel dafür, wie angepasst und kritiklos sich die meisten Fußballvereine im Nationalsozialismus verhalten haben. Die prominentesten NSDAP-Mitglieder – beide seit dem 1. Mai 1937 – sind ohne Zweifel Ernst Kuzorra und Fritz Szepan. Sie lassen sich auch für direkte Unterstützungsaktionen der NSDAP, etwa zu Wahlaufrufen, einspannen. Durch seine Übernahme eines jüdischen Textilhauses am Schalker Markt im Zuge der sogenannten „Arisierung“ wird Szepan außerdem zu einem Profiteur des NS-Regimes. Die enteigneten Eigentümer Sally Meyer und Julie Lichtmann werden deportiert und in Riga ermordet. Im Zweiten Weltkrieg beteiligt sich der Verein an der Unterhaltung von Soldaten. So spielen die Schalker auf einer Gastspielreise 1941 gegen deutsche Soldatenmannschaften in Paris, Brüssel und Warschau. Eine systematische Bevorzugung von Schalker Spielern durch Freistellung vom Kriegsdienst lässt sich dagegen nicht nachweisen. In den ersten Kriegsjahren gibt es allerdings wie bei Spielern anderer Klubs einige Vergünstigungen wie heimatnahe Stationierung oder großzügig gewährter Heimaturlaub. Mit dem 2004 erschienenen Werk „Zwischen Blau und Weiß liegt Grau. Der FC Schalke 04 in der Zeit des Nationalsozialismus“ hat der Verein als erster in Deutschland überhaupt seine NS-Vergangenheit wissenschaftlich untersuchen lassen. Autoren sind Stefan Goch und Norbert Silberbach vom Gelsenkirchener Institut für Stadtgeschichte.