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Mythos
An jenem Nachmittag treffen sie sich bei Heinrich Kullmann im Garten. Der wohnt in der Hauergasse im Schatten der Zeche Consolidation. Eine Verschwörerrunde von zehn Jungs, zwölf, dreizehn, vierzehn Jahre alt. Sie sind Schüler und Lehrlinge auf der Zeche und bei der Herdfabrik Küppersbusch. Seit Langem schon haben sie eine Fußball-Straßenmannschaft. Doch sie haben einen Traum …
… einmal gegen den Lokalrivalen „Spiel und Sport 1896“ spielen, ein richtiges Derby gegen den „Lackschuh-Verein“ mit seinen Gymnasiasten. Der Anführer der Jungen-Bande Willy Gies bringt es auf den Punkt: „Wenn wir es wirklich im Sport zu etwas bringen wollen, dann müssen wir einen Verein gründen! Alle, die dabei sein wollen, trage ich in mein Notizbuch ein.“ Gies notiert die zehn Kameraden und den Namen ihres neuen Vereins: „Westfalia Schalke“, Vereinsfarben rot und gelb.
Dann ziehen die Jungs zum Haus Goor ein paar hundert Meter weiter. Auf der Wiese des heruntergekommenen Herrenhauses kicken sie noch eine Weile. „In England sollen kürzlich 90.000 Zuschauer bei einem Pokalspiel gewesen sein“, berichtet Willy Gies, bevor er und seine Freunde den Ball wieder einpacken. „Auch unser Verein wird mal vor 90.000 spielen!“ Die Jungs gehen lachend auseinander. Der Tag neigt sich dem Ende. Es ist der 4. Mai 1904.
Die Gründungsstunde des FC Schalke 04: So oder so ähnlich könnte sie sich abgespielt haben. Zeugnisse der Vergangenheit gibt es nicht mehr – weder das sagenumwobene Notizbuch noch ein Foto. Einige wenige mündliche Überlieferungen werden in den Folgejahren anlässlich der Vereinsjubiläen in den Zeitungen abgedruckt und verdichten sich im Laufe der Jahre zum Mythos vom Schalker Markt.
In den kommenden Jahren bemüht sich der junge Verein um die Mitgliedschaft im Westdeutschen Spielverband. Nur dann dürfen die Schalker Jungs endlich gegen andere Vereine spielen. Doch der bürgerlich geprägte Verband verweigert dies den heranwachsenden Männern. Eine solide und kontinuierliche Entwicklung traut man dem jugendlichen Club aus dem Arbeitermilieu einfach nicht zu. Selbst der erwachsene Vorsitzende Heinrich Hilgert, Wiegemeister auf der Zeche Consol, den die Jungs für sich gewinnen, kann den Verband nicht umstimmen.
1912 schließt sich Westfalia Schalke notgedrungen als Spielabteilung dem bürgerlichen „Turnverein Schalke 1877“ an. Nun endlich dürfen die Fußballer am Spielbetrieb teilnehmen. Für die Partien nutzen sie den von den Turnern hergerichteten Platz an der Grenzstraße. Die neue Identität schlägt sich in neuen Vereinsfarben nieder: am 21. November 1913 beantragen die Fußballer neue Spielkleidung. Farben: blau und weiß.
Der Erste Weltkrieg bedeutet nicht – wie lange angenommen – das abrupte Ende allen Fußballs im Westen. Im Gegenteil: Im Sommer 1915 gründen fußballbegeisterte Schalker erneut einen Verein namens Westfalia Schalke. Die Mannschaften von TV Schalke 1877 und Westfalia Schalke bestehen etwa ein Jahr parallel und tragen sogar Freundschaftsspiele gegeneinander aus. Im Juli 1916 fusionieren die beiden Teams zu „Vereinigte Kriegsmannschaften Schalke“. Nach Kriegsende versuchen die Vereine, wieder getrennte Wege zu gehen. Bereits im Mai 1919 schließen sich der TV Schalke 1877 und Westfalia Schalke erneut zusammen zum „Turn- und Sportverein 77“, kurz TuS Schalke 77.
1920 gelingt dem TuS 77 der Aufstieg in die Zweite Liga. Dafür sorgt nicht nur der langjährige Kapitän Thomas Student. Vor allem die in England aufgewachsenen Brüder Hans und Fred Ballmann revolutionieren den königsblauen Fußball. Das von ihnen etablierte Kurzpassspiel mit schnellen Positionswechseln wird später als „Schalker Kreisel“ Fußballgeschichte schreiben. 1922 verpasst der Club nur knapp den Aufstieg in die Erste Liga. Eine vom Verband verhängte Aufstiegssperre verhindert in den folgenden Spielzeiten den Sprung in die Erstklassigkeit. Derweil reifen bei den Fußballern Überlegungen heran, sich endgültig vom Turnverein zu lösen.
Entwicklung des Vereins
1904 – Gründung Westfalia Schalke
1912 – Zusammenschluss mit TV Schalke 1877
1915 – zweite Gründung von Westfalia Schalke
1916 – Zusammenschluss von TV Schalke 1877 und Westfalia Schalke zu „Vereinigte Kriegsmannschaften Schalke“
1919 – zunächst Trennung der Vereine, dann erneute Fusion zu TuS Schalke 1877
1922 – Abtrennung von Westfalia Schalke 1922
1924 – Gründung des FC Schalke 04 e.V. nach reinlicher Scheidung vom TV Schalke 1877